Holocaust - Alles erforscht?

Shownotes

In den ersten Nachkriegsjahrzehnten galt: Der Holocaust mit 6,5 Millionen ermordeten Juden war das Werk Hitlers und einer kleinen Gruppe von NS-Verbrechern. Die Mehrheit der Deutschen wähnte sich unschuldig, oft gar selbst als Opfer. Diese Vorstellung hat sich grundlegend gewandelt. Frank Bajohr skizziert den Weg von der Vergessens- und Verdrängungspolitik der frühen Bundesrepublik hin zu einer differenzierten Aufarbeitung der Vergangenheit seit etwa den 1990er Jahren. Geschichtswissenschaft und Erinnerungspolitik, so Bajohr, operieren heute mit einem erweiterten Täterbegriff und betrachten die Grenzen zwischen Tätern, Opfern und Zuschauern als fließend. Zu neuen Erkenntnissen gelangten Historikerinnen in den letzten Jahren zudem durch die Öffnung der Archive in Osteuropa, sowie durch eine stärkere Konzentration auf die Opfer und ihre (autobiographischen) Zeugnisse – anstelle auf Täterinnen und ihre möglichen Motive.

Prof. Dr. Frank Bajohr Frank Bajohr ist Historiker und wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocauststudien am Institut für Zeitgeschichte in München.

Dr. Almut Finck ist Radiojournalistin und Kulturwissenschaftlerin aus Berlin.

Die didaktischen Materialien finden Sie hier: [https://historycast.de/]

Staffel 3, Folge 6 des historycast - was war, was wird? des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e. V. [http://geschichtslehrerverband.de]

Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat.

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00:31:28: BAJOHR: Als Verräter, ja. Und wenn Sie sich an die Filmaufnahmen des Eichmannprozesses erinnern, da gab es einen Angehörigen des Budapester Judenrates, der befragt wurde, und im Zuschauerraum sprang plötzlich jemand auf, ein überlebender Jude aus Ungarn, und brüllte den Betreffenden geradezu unflätig an, „Du Hund!“ – auf Deutsch. Also, da gab es ganz heftige Auseinandersetzungen auf Seiten der deutschen Juden. Auch so genannte Ehrengerichtsverfahren, nach 1945, gegen ehemalige Funktionäre der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Denn diese ganze Zwangskooperation führte natürlich dazu, dass diese Personen von Seiten derjenigen Juden, die da nicht beteiligt waren, des Verrats verdächtigt wurden oder Misstrauen auf sich zogen, das sich dann auch entlud in diesen massiven Spannungen. Wir wissen heute viel besser, in welcher verzweifelten Situation sich diese Menschen befanden. By the way, ein erheblicher Teil der Judenratsmitglieder ist auch ermordet worden. Das haben nur ganz, ganz wenige dieser Funktionäre überhaupt überlebt. Und fast durchgängig war immer das Motiv nicht, sich den Deutschen da irgendwie anzudienen oder lieb Kind zu machen, sondern ganz im Gegenteil Verbesserungen für die drangsalierte jüdische Bevölkerung herauszuholen, Personen irgendwie zu retten, vielleicht austauschen zu können. Zielvorstellung war vielfach, dass doch so etwas wie der Kern einer jüdischen Gemeinschaft bewahrt werden könnte. FINCK: Wenigstens ein paar retten, wenn man schon nicht alle retten kann. BAJOHR: Ja, doch eine signifikante Minderheit, nicht nur ein paar. Also ich glaube, dass sie schon die Vorstellung hatten, etwa, von den deutschen Juden, 30, 40% vor der Deportation bewahren zu können. Das alles war ein grausamer Trugschluss. Aber hinterher ist man natürlich klüger, und es fällt dann aus der Rückschau immer besonders einfach, solche Personen anzuklagen. Wir müssen uns aber ein Stück weit auch im Hinblick auf die Quellen, die wir da zur Verfügung haben, in ihre Lage versetzen. Sie haben ja teilweise auch Suizid begangen, weil sie aus der Situation keinen Ausweg mehr sahen und selber realisierten, dass sie hier verstrickt wurden in ein teuflisches Spiel. Musik FINCK: Wenn man sich Veröffentlichungen anschaut, fällt auf, dass die frühe Holocaustforschung sich sehr intensiv vor allem mit der Interpretation des Holocaust beschäftigt hat, also gefragt hat: Wie konnte das denn geschehen? Man hat weniger in den Blick genommen, was eigentlich das grauenvolle Geschehen selber war, was dort passiert ist. BAJOHR: Ja. Man musste sich dann mit den Details des Mordgeschehens selber nicht befassen. Wenn man sich mit der so genannten Genesis der Endlösung beschäftigt, dann geht es ja um Befehlswege. Hat Hitler jetzt einen so genannten Endlösungs-Befehl erteilt oder nicht? Welche Personengruppen im Regime waren darin involviert? FINCK: Wann begann man denn, nicht so abstrakt von dem so genannten Unbegreiflichen zu reden, sondern darüber, wie die Menschen tatsächlich abgeschlachtet wurden? BAJOHR: Vieles war natürlich durchaus bekannt. Denken Sie an die so genannten atrocity films der Amerikaner, die ja bei der Besetzung Deutschlands auf Leichenberge in den Lagern in Konzentrationslagern gestoßen waren, daraus auch Filme herstellten, die der deutschen Zivilbevölkerung teilweise zwangsvorgeführt wurden. Es gab auch Zwangsbesichtigungen von Konzentrationslagern, um die deutsche Bevölkerung unmittelbar damit zu konfrontieren. Das führte häufig zu einer entsprechenden Abwehr. Also – natürlich auch Einsicht. Ich glaube, es gab nur sehr wenige, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit bestritten, dass Verbrechen verübt worden waren. Aber sie bestanden darauf, a) nichts gewusst zu haben und b), dass diese Verbrechen weit außerhalb ihres Gesichtskreises stattgefunden hatten, dass nur ganz wenige Täter an der Spitze dafür verantwortlich waren. Das musste langsam überwunden werden. Und man näherte sich gewissermaßen der Perspektive mit so kleinen Schritten an. In den 50er Jahren war das Tagebuch von Anne Frank auf den Markt gekommen und erlebte riesige Auflagen. Also, man konnte sich durchaus in die bedrängte Situation dieses jungen Mädchens versetzen. Allerdings war vom Holocaust im gesamten Tagebuch ja keine Rede, der tauchte ja nicht auf. FINCK: Das Tagebuch endet mit der Deportation. BAJOHR: Mit der Verhaftung endet das Tagebuch, und der Rest, ja, das musste man dann sich irgendwie vorstellen, aber damit musste man sich nicht konfrontieren. Man hat sich sozusagen nur dosiert diesem Grauen ausgesetzt und geöffnet. Es gab lange Zeit irgendwie eine Abwehr oder auch die Vorstellung, das sei so eine Art mechanistischer, fast klinischer Vorgang in den Gaskammern, ohne Konfrontation von Tätern und Opfern. Der Holocaust Mordfabrik oder als fabrikmäßiger Massenmord, das ist ja ein Begriff, der immer noch im Schwange ist, und der überdeckt, dass es ja doch in vielen Fällen zu sehr unmittelbaren Konfrontationen von Tätern und Opfern durchaus gekommen war – und am Ende kein automatisch selbstlaufender Vorgang, bürokratisch organisiert in irgendwelchen Amtsstuben, die das gar nicht realisierten, was dann als Folge ihres Handelns geschehen war. Diese Vorstellungen hatten ganz lange dominiert, und das änderte sich dann erst seit den 80er, 90er Jahren. Ein zentraler Durchbruch kam natürlich mit der amerikanischen Fernsehserie Holocaust, die am Beispiel der jüdischen Familie Weiß mal dieses persönliche Schicksal zeigte. Das war jetzt zwar eine Soap Opera, wenn man so will, aber die Perspektive der Opfer spielte da natürlich dann eine zentrale Rolle. Auch der Begriff Holocaust, der bis dahin ja ganz unbekannt gewesen ist, hat sich danach im Sprachgebrauch, im Allgemeinen, verbreitet. Musik FINCK: Es gab in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche, oft sehr aufgeregte Debatten, gesellschaftliche, akademische, über unser Verständnis des Holocaust und über unseren Umgang damit. Welche von diesen Debatten, denken Sie, hat uns besonders nachhaltig geprägt und verändert? BAJOHR: Ich glaube, da kann man nicht nur eine nennen, sondern es gab ja eine ganze Kette von Debatten, vor allem in den 1980er Jahren, die so eine Übergangszeit waren zur heutigen so genannten Erinnerungskultur. Denken Sie an die Debatte beim Besuch des amerikanischen Präsidenten Reagan auf dem Friedhof in Bitburg um die dort auch beerdigten Angehörigen der Waffen-SS. Denken Sie an den so genannten Historikerstreit 1986/87 um die Frage: Kann der Holocaust, oder darf er auch, mit anderen Massenmorden in Beziehung gesetzt und verglichen werden? Dann war natürlich wichtig, in den 90er Jahren, die so genannte Wehrmachtsdebatte, angestoßen durch eine Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die ja breit in der Öffentlichkeit geführt wurde und ja auch im Deutschen Bundestag damals in einer Sternstunde des Parlaments zu einer sachlichen und auch sehr persönlich werdenden Debatte führte. Otto Schily, selbst Alfred Dregger, der ja für die sogenannte Stahlhelmfraktion in der Union stand, bekundete, dass er über viele Dinge, die hier in der Debatte geäußert worden waren, auch selber persönlich noch einmal nachdenken müsse. Und Otto Schily war einer derjenigen, der hier diesen Schleier zerriss von anständiger Pflichterfüllung, und dass im Grunde genommen niemand unbefleckt aus dieser damaligen Gesamtsituation herausgekommen war, unabhängig davon, ob man solche Personen jetzt plakativ als Täter bezeichnet oder nicht, aber sich niemand einfach da absentieren konnte. FINCK: Ganz heftig wurde ja auch über ein Holocaustmahnmal gestritten. Herr Bajohr, brauchen wir denn so ein Mahnmal, wie wir es ja inzwischen haben? BAJOHR: Ich denke schon. Es war richtig, mit einem öffentlichen Platz, auch in prominenter Nähe zum Brandenburger Tor und zum Reichstag und in Laufweite touristischer Pfade, dies auch in der Fläche zu markieren. Ganz wichtig allerdings finde ich auch, dass es nicht beim bloßen Gedenken an einem Mahnmal bleibt, sondern, und das ist ja durch den sogenannten Ort der Information, auch realisiert worden, dass man auch weiß, wessen man da gedenken soll oder welche Vorgänge man sich eigentlich vergegenwärtigen soll, weil – bloßes Gedenken ohne konkrete Erinnerung und ohne Vermittlung läuft meines Erachtens Gefahr, zu einem Ritual zu werden. Dann legt man Kränze nieder und folgt so einem spezifischen Gedenkritual, aber vergegenwärtigt sich das Geschehen dabei nicht. FINCK: Ein Holocaust-Museum, wie es das in den USA gibt, haben wir aber nicht. Und interessant ist, dass dieses Museum in Washington besonders von einem Deutschen sehr kritisiert wurde, als man in der Planung war, in den 80er Jahren. BAJOHR: Ja, es war Bundeskanzler Helmut Kohl, der auf die amerikanische Administration einzuwirken versuchte, entweder von diesem Mahnmal zu lassen oder eine Ausstellung über den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus dort aufzunehmen. Und ich glaube, der hatte die Angst, wenn Amerikaner dieses sehen, dieses Museum und das, was von Deutschen begangen wurde in dieser Zeit, dann wären amerikanische Soldaten nicht mehr bereit, innerhalb der NATO in Deutschland Dienst zu tun und auch die Freiheit Deutschlands gegen den damaligen Ostblock zu verteidigen. Das war, glaube ich, eine sehr ernste Sorge, die uns heute aus heutiger Perspektive natürlich etwas absurd erscheint. Der Historiker Jakob Eder hat das als Holocaustangst bezeichnet. Und es zeigt, dass eben die 80er Jahre noch eine Übergangsphase waren, geprägt durch diese Konflikte wie Bitburg, Historikerstreit und anderes, wo im Grunde genommen um verschiedene Positionen noch gerungen wurde, die dann seit den 1990er Jahren Konsens wurden, als ja dann auch die Forschung massiv einsetzte, die Möglichkeiten, durch den Fall des Eisernen Vorhangs, auch in osteuropäische Archive zu gehen, besser wurden und die bundesdeutschen Gedenkstätten auch breit staatlich gefördert und ausgebaut wurden. Das wurde ja immer mehr zu einer Aufgabe des Staates, zu einer dauernden Aufgabe. Bis dahin war das dominierende Wort Vergangenheitsbewältigung gewesen und die Vorstellung, wenn man jetzt die Täter verfolgt und Wiedergutmachung leistet, dann ist das irgendwann abgeschlossen, dann können wir einen Schlussstrich ziehen, die Vorstellung, dass auch noch mit staatlicher Förderung dauerhaft erinnert wird, wäre in den 50er und 60er Jahren ein einziges Horrorszenario für die meisten Deutschen gewesen, die eigentlich damit abschließen wollten. FINCK: Sie haben’s gerade kurz angesprochen, durch den Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs ist es möglich geworden, den Blick weiter nach Osten zu werfen. Können Sie mal skizzieren, welche Erkenntnisse wir da vielleicht bereits gewonnen haben? Und was erwarten Sie da noch? BAJOHR: Erkenntnisse ergeben sich zum einen natürlich in der Täterforschung, weil auch nichtdeutsche Täter dadurch in den Blick genommen wurden. Etwa 10% der Holocaustopfer wurden ja ermordet, ohne dass irgendein deutscher Täter in der Nähe gewesen wäre, zum Beispiel in der rumänischen Armee. Oder rumänische Mordeinheiten wären hier zu nennen, die doch relativ autonom, teilweise ohne jeden direkten Einfluss der Deutschen an dem Mordgeschehen beteiligt waren. Aber auch so Personengruppen wie baltische Nationalisten, die ukrainische oder die polnische blaue Polizei, die den Deutschen da assistierte. Die Trawniki-Männer. Denken Sie an John Demjanjuk, um den es ja noch mal einen wichtigen Prozess gegeben hatte in der Bundesrepublik, ein Kriegsgefangener, der dann in Sobibor Dienst getan hatte. Und dann sind es auch die osteuropäischen Gesellschaften, die Besatzungsgesellschaften. Das Morden fand ja oft in aller Öffentlichkeit statt, vor aller Augen. Und die Frage, wie haben sich die Menschen damals dort verhalten, wie kann man das Mordgeschehen auch als Teil des deutschen Besatzungsgeschehen insgesamt deuten, spielt eine große Rolle. Das ist so ein bisschen eine Folge dieses gewandelten Blicks nach Osteuropa, dass mittlerweile auf vielen Holocaustkonferenzen der Name Hitler kein einziges Mal mehr genannt wird. Und so der Eindruck entsteht, es handele sich nicht um einen deutschen Völkermord, sondern um einen europäischen Genozid. FINCK: Da muss man natürlich vorsichtig sein. BAJOHR: Da muss man vorsichtig sein und hier differenzieren. In der Tat, der Gesamtprozess ist natürlich ein europäischer. Aber ohne den zentralen Impuls des nationalsozialistischen Deutschlands wäre es nie zum Massenmord gekommen. Es gab in Polen zahlreiche Nationalisten, die Juden hassten oder verschworene Antisemiten waren. Nie wären die auf die Idee gekommen, die jüdisch-polnische Bevölkerung zu ermorden. Das realisierte sich allein durch die deutsche Besatzung und die zentralen Impulse, die von der deutschen Seite ausgingen. FINCK: Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, der Veränderung der Forschung in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Sehr lange hat man nicht so sehr mit Zeitzeugendokumenten, also Tagebüchern oder Briefen von sowohl Ermordeten als auch Überlebenden gearbeitet, weil man sagte, die sind zu subjektiv, die sind nicht wissenschaftlich genug, als wenn Texte von Nazifunktionären wissenschaftlicher oder objektiver wären. Man hat das ignoriert. Diejenigen, die das geschrieben haben, wie zum Beispiel auch der schon angesprochene Rudolf Vrba, der Auschwitz-Häftling, der geflohen war – die mussten erst mal beweisen, dass das stimmte, was sie gesehen und gehört und erlebt hatten. Das ist heute sehr anders. Man hat den Eindruck, dass gerade in den letzten Jahren sehr viel Arbeit reingesteckt wird in Tagebücher, in Briefe, in Dokumente, die man auch neu entdeckt hat und jetzt erst ernst nimmt. Es gibt ein Projekt aus Ihrem Haus, von Andrea Löw, die hat Briefe von Deportierten und Berichte später zu einer ganz großen kollektiven Erzählung verwoben. Können Sie das mal ein bisschen näher skizzieren, dieses Projekt? BAJOHR: Ja, das fügt sich ein in einen breiten Forschungstrend, der jetzt die Perspektive der Opfer auch im Fokus hat. Opfer, die ja schon während des Geschehens auch Zeugnis abgelegt hatten. Denken Sie an das Untergrundarchiv im Warschauer Ghetto, das Ringelblum-Archiv, wo zahllose Briefe, Tagebücher, subjektive Zeugnisse überlebten, die in der Zeit des Holocaust entstanden waren und die Zeugnis ablegen von dem Geschehen, einerseits, und von vielen noch teilweise unbekannten Fakten, aber eben auch von der subjektiven Perspektive und von den Verhaltensstrategien der Betroffenen, die ja entgegen einem landläufigen Urteil nicht alle wie die Schafe zur Schlachtbank gegangen waren, sondern die ihre Identität behaupteten gegen die Zwangszuschreibung durch die Täter. Nicht alle, die als Juden verfolgt wurden, waren ja überhaupt in diesem Sinne Juden, waren ja teilweise auch zum Christentum übergetreten, wurden aber von den NS-Rassefanatikern gleichwohl in die Verfolgung der Juden eingereiht. Also, die Bewahrung der eigenen Identität und alle Versuche zu überleben und dem etwas entgegenzusetzen, teilweise auch offenen Widerstand, teilweise sogar bewaffnet zu leisten – dieses Spektrum entfaltet sich, und es kommt natürlich darauf an, diese teilweise extrem verstreuten Quellen zusammenzuführen, wie das meine Kollegin und die stellvertretende Leiterin hier des Zentrums für Holocauststudien am Institut für Zeitgeschichte, Andrea Löw, in ihrem Projekt getan hat. Es gab ja immer wenige Überlebende der deutschen Juden, die deportiert worden waren und die noch hatten Zeugnis ablegen können oder auch Berichte verfasst hatten. Aber in vielen Archiven, auch bei Nachlässen, sind Briefe aufgetaucht, teilweise aus dem Deportationszug geworfene Postkarten waren darunter. Insgesamt hatte man angenommen nur ganz wenige. Aber dann, in der Zusammenschau, sie hat ja mehrere Monate sehr intensiv weltweit danach gesucht, auch in Israel und in Washington am Holocaust Museum, dann ist doch erstaunlich, welch große Zahl von diesen persönlichen Zeugnissen dann doch auftauchen und dann auf einmal ein breites Panorama sich entfaltet von subjektiven Wahrnehmungen und die Opfer dann auch als Person, als Individuen kenntlich werden und nicht als eine anonyme Masse mit einem Davidstern, sondern als Menschen mit Träumen, mit Ängsten, mit Hoffnungen, in der vollen Verzweiflung der jeweiligen Situation, und auch in ihrer menschlichen Würde, indem sie in ihrer Individualität sichtbar werden und sichtbar gemacht werden. Das ist ja ganz wichtig, einen solchen Eindruck auch zu vermitteln und solche plakativen Zuschreibungen Opfer, Täter, Zuschauer, eben zu vermeiden, sondern die Menschen, ihr persönliches Erleben deutlich zu machen. FINCK: Herr Bajohr, ganz herzlichen Dank für das Gespräch. BAJOHR: Sehr gerne. Musik Was war – was wird Der historycast des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands Staffel 3: Judentum in der Geschichte: Zwischen Integration und Antisemitismus Folge 6: Holocaust: alles erforscht? Almut Finck im Gespräch mit Frank Bajohr Gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat FINCK: Wenn Sie sich mit dem Thema der gerade gehörten historycast-Folge noch weiter auseinandersetzen wollen: Hören Sie doch mal beim WDR-Zeitzeichen rein. Dort finden Sie eine Reihe von spannenden Sendungen zu ähnlichen Themen. Die Links dazu haben wir in den Begleittext zu dieser Folge gestellt.

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