Rechtsruck der Mitte. Wogegen die Demokratie sich verteidigen muss

Shownotes

Die größte Gefahr für unsere Demokratie, sagt Wolfgang Kraushaar, geht heute nicht mehr von der Rändern aus, sondern von Angehörigen der bürgerlichen Mitte, die sich zunehmend rechtspopulistisch bis rechtsradikal verorten. Im Podcast zeigt Kraushaar neonazistische Kontinuitätslinien auf, von den frühen 1950er Jahren über die fremdenfeindlichen Angriffe und Morde der 90er bis hin zu Pegida, den Reichsbürgern oder der AFD heute. Kraushaar fordert „keine falsche Toleranz“ gegenüber den Feinden von Grundgesetz, Parlamentarismus und liberaler Demokratie.

Wolfgang Kraushaar ist Politologe und forscht seit 2015 an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, davor war er am Hamburger Institut für Sozialforschung tätig. Er gilt als Experte für Protestbewegungen und den – auch internationalen – Terrorismus. Gerade ist sein neues Buch erschienen, eine umfassende Studie des Neonazismus in der Bundesrepublik. Sein Buch trägt den Titel Keine falsche Toleranz. Warum sich die Demokratie stärker als bisher zur Wehr setzen muss.

Dr. Almut Finck ist Radiojournalistin und Kulturwissenschaftlerin aus Berlin.

Die didaktischen Materialien finden Sie hier: [https://www.historycast.de/]

Staffel 2, Folge 12 des historycast - was war, was wird? des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e. V. [http://geschichtslehrerverband.de]

Gefördert wird das Projekt durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

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Was war - was wird

Der Historycast des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer Deutschlands

Staffel 2: Zauber, Kult, Verschwörungsdenken: Zur Geschichte der „Unvernunft“

Folge 12: Rechtsruck der Mitte. Wogegen die Demokratie sich verteidigen muss.

Folge 12: Almut Finck im Gespräch mit Wolfgang Kraushaar

FINCK: Burkina Faso, Sudan, Guinea, Mali, Myanmar, das sind Staaten, in denen in den letzten Jahren ein Putsch meistens durch das Militär zur Absetzung der Regierung geführt hat. Dass ein Staatsstreich in Deutschland, einer liberalen Demokratie, möglich sein könnte, das hielten wohl die allermeisten Bürgerinnen und Bürger hierzulande für völlig undenkbar. Bis zum 7. Dezember letzten Jahres. Denn in den frühen Morgenstunden jenes 7. Dezember 2022 stürmten Spezialkräfte der Polizei, insgesamt 3000 Beamte, zeitgleich in elf Bundesländern die Wohnungen von mehr als 50 Personen. 25 von ihnen wurden verhaftet, gegen alle Anklage erhoben. Sie werden beschuldigt, Mitglieder einer terroristischen Organisation zu sein, mit dem Ziel, die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und einen Staat nach dem Vorbild des Deutschen Reiches von 1871 zu gründen. Politik und Gesellschaft reagierten mit Entsetzen, Fassungslosigkeit und auch Überraschung über den Personenkreis. Herr Kraushaar, hat Sie das auch überrascht?

KRAUSHAAR: Nein, das konnte mich deshalb schon nicht überraschen, weil in dem Buch, das ich geschrieben habe, im letzten Jahr, bereits auf eine Vorgängerstufe dieser Reichsbürger-Verschwörung Bezug genommen worden war. Da ging es um die Vereinten Patrioten, von denen mehrere Mitglieder im April 2022 verhaftet worden waren. Und die Vorwürfe lauteten ganz ähnlich wie gegen diejenigen, die am 7. Dezember verhaftet worden sind. Sie hatten allerdings ein Spezifikum. Sie wollten zunächst einen bundesdeutschen Minister entführen, nämlich den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, und mit ihm als Entführungsopfer die Bundesregierung erpressen und eine Art von Rat ausrufen, der sozusagen an die Stelle der Regierung hätte treten sollen. Und um das alles entsprechend praktikabel auch umsetzen zu können, ging es ebenfalls um eine Blockade der Stromversorgung, und zwar bundesweit. Das heißt, da hat es einen Vorlauf gegeben, der vieles von dem vorweggenommen hat, was sich dann am 7. Dezember abgespielt hat. Und insofern konnte mich das nicht überraschen.

KRAUSHAAR: Überrascht waren viele nicht nur, dass so etwas hierzulande geplant war, sondern auch vom Personenkreis. Darüber, dass viele der Anhänger aus der Mitte, der gutbürgerlichen Mitte der Gesellschaft kommen. Ein Arzt, eine Berliner Richterin im Amt – noch …

KRAUSHAAR: Das waren gebildete, hochqualifizierte Leute, und es waren auch ehemalige Offiziere der Bundeswehr.

KRAUSHAAR: NVA-Soldaten auch viele.

KRAUSHAAR: Ja, und es war auch jemand vom Landeskriminalamt in Niedersachsen, es waren Techniker, es waren alle möglichen Berufssparten dort vertreten.

KRAUSHAAR: Wolfgang Kraushaar ist Politologe und forscht seit 2015 an der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, davor war er am Hamburger Institut für Sozialforschung tätig. Er gilt als Experte für Protestbewegungen und – den auch internationalen – Terrorismus. Gerade ist sein neues Buch erschienen, eine umfassende Studie des Neonazismus in der Bundesrepublik. Sein Buch trägt den Titel „Keine falsche Toleranz. Warum sich die Demokratie stärker als bisher zur Wehr setzen muss.“ Herr Kraushaar, die Demokratie muss wehrhafter werden. Durch wen oder durch was sehen Sie sie vor allem gefährdet?

KRAUSHAAR: Was sich im Laufe der letzten Jahre, und auch Jahrzehnte, herausgeschält hat, ist eine besondere Gefahrenkonstellation von rechts. Weil – Wir haben auf der einen Seite ein besonderes Phänomen durch eine rechtspopulistische Partei, die seit dem Oktober 2017 mit knapp 100 Abgeordneten im Bundestag eingezogen ist, nämlich die Alternative für Deutschland, die AfD. Das hat es seit 1953 nicht mehr gegeben.

KRAUSHAAR: Unter anderem wegen der Fünf-Prozenthürde.

KRAUSHAAR: Die hat man dann eingeführt, im Jahre ‘53, um diese Splitterparteien zwar nicht zu vermeiden, aber ihnen zumindest den Zugang zu erschweren in das Bundesparlament. Das ist die eine Seite. Nämlich eine rechtspopulistische Vertretung in der Politik, vorgedrungen in Landtage bis hin in den Bundestag. Das zweite sind rechtsextreme Organisationen, von denen es eine Vielzahl gegeben hat und immer noch gibt und unter denen sich die NPD einen besonderen Rang seit 1964 erobert hat. Sie hat mehrfach versucht, auch in den Bundestag zu gelangen. Das ist ihr nicht gelungen. Sie war 1969 am nächsten dran, aber sie ist knapp mit 4,3 % damals gescheitert. Wäre ihr das gelungen, hätte es keine sozialliberale Koalition geben können. Das Dritte sind natürlich Bewegungen und Strömungen, die man schwer im Einzelnen klassifizieren kann, die eher als Bedrohungsallianz auf den Plan treten. Wir hatten dieses Phänomen vor allen Dingen vor Augen in einer starken Fremdenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, verknüpft mit rechtsextremen Formen, in den 90er Jahren. Dort hat man in Serie geradezu Brand- und Mordanschläge verübt mit mindestens 180 Todesopfern, unzähligen Verletzten. Das hat einen Teil der Ära Kohl noch geprägt und hörte eigentlich erst so langsam auf oder wurde eingedämmt zu Beginn der rot-grünen Regierungskoalition. Und diese verschiedenen Formen, in denen explizit oder implizit rechte Strömungen in organisierter Form, in politischer Form oder aber auch als Bewegungsformation auftreten, das macht die Herausforderung aus, und das hat sich im Laufe der letzten Jahre noch mal durch verschiedene Anschläge, Mordanschläge, in Hanau, in Halle, in Kassel und so weiter manifestiert. Das Erschrecken ist jeweils sehr groß gewesen, der Öffentlichkeit. Das hat mit dazu beigetragen, dass man auf dieser Ebene eine andere öffentliche Sensibilität zeigt seitdem. Aber das hat es nicht verhindern können, dass ähnliche Taten auch in den letzten Jahren weiter haben verübt werden können.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Es handelt sich um eine rechte Ideologie, es sind neonazistische Ideologien, die dort vertreten werden. Gleichzeitig sind es immer mehr Menschen in der Mitte und nicht rechte Spinner am Rand, die diese Ideen vertreten.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Ich glaube, dass dieses Thema sehr lange Zeit zu gering veranschlagt worden ist.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Einzeltäter hat man sehr gerne gesagt.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Das ist fast Gesetz gewesen, wie zum Beispiel beim schlimmsten terroristischen Anschlag, den‘s in der Geschichte der Bundesrepublik bislang gegeben hat, nämlich das Oktoberfestattentat im September 1980, ein Mann, der dort als Attentäter selber sein Leben verloren hat, nämlich der Student Gundolf Köhler. Dort hat man sich kapriziert darauf, dass das ein Einzeltäter gewesen sein müsse, obwohl sich sehr schnell herausgestellt hat, dass er zeitweilig bei der Wehrsportgruppe Hoffmann aktiv gewesen war und es weitere Indizien dafür gab, dass dieser Mann gut vernetzt gewesen sein muss. Das ist eines der großen Probleme, dass man nicht ausreichend die Vernetzungen dieser Attentäter untersucht hat. Und das war bereits erkennbar in den 90er Jahren. Wolfgang Thierse von der SPD hat ja als Politiker mal vom System Dolgenbrodt gesprochen. Dolgenbrodt ist im Brandenburgischen ein kleiner Ort. Dort hatte sich die Dorfgemeinschaft zusammengetan, in einer Kneipe beschlossen, dass man etwas unternehmen müsse gegen diejenigen, die in einem geplanten Asylbewerberheim hätten untergebracht werden sollen. Und dann wurde anschließend halt ein Brandanschlag verübt, und Thierse meinte, das sei das System Dolgenbrodt. Das heißt, die Täter, die würden dann im Grunde genommen nur umsetzen, was bereits die Gemeinschaft, ein Kollektiv zuvor beschlossen hat. Und das ist natürlich das, was besonders gefährlich ist. Und wir haben eine ähnliche Konstellation erlebt, jetzt im Kontext der Coronapandemie. Dass dort auf einmal, insbesondere durch die Querdenker, das Phänomen aufgetreten ist, dass diese in der Lage waren, nicht nur sehr viele, sondern zum Teil auch sehr umfangreiche Demonstrationen zu organisieren, auf denen ein hohes Maß an Irrationalität gezeigt worden ist. Einerseits natürlich auch eine legitime, berechtigte Kritik an den gesundheitspolitischen Maßnahmen des Staates, andererseits aber, unter Zuhilfenahme von Verschwörungsideologien, der Versuch, die staatliche Autorität zu untergraben, und das hat jetzt seitens des Bundesinnenministeriums im Jahre 2021 dazu geführt, dass man eine neue Kategorie entwickelt hat. Diese Kategorie lautet, dass man es mit einem Phänomen zu tun habe, das man bezeichnen müsse als verfassungsrelevante Delegitimierung des Staates. Das soll eigentlich bedeuten, dass man keine Schublade hatte, um diese Dinge wirklich unterbringen zu können. Dass man zu wenig eingrenzen kann, wo diese Gefährdungen lokalisiert sind, um dann entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Vielleicht auch deshalb, weil diese Gruppen ja so heterogen sind. Das ist ja ein ganz breiter Querschnitt, und das ist sehr schwer zu fassen, wer da eigentlich hinter steckt. Weiß man denn, wie diese heterogenen Gruppen sich radikalisieren, wie das passiert?

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Man weiß es jedenfalls nur höchst unzureichend. Und das macht natürlich auch diejenigen, die, wenn etwas geschehen ist, für die Ermittlungen zuständig sind, zunehmend nervös. Wenn das nur beschränkt ist auf kleinere Gruppierungen, die sich am sogenannten Rand der Gesellschaft bewegen, scheint es sehr viel einfacher zu sein, außer sie gehen in den Untergrund. Das ist dann natürlich ein anderes Thema, weil es in der Regel dann auch eine terroristische Formation betrifft. Und diese Dimension, dass wir es sowohl in der Breite als auch in der Tiefe mit einem neuen Gefährdungspotenzial zu tun haben, das macht die eigentliche Qualität dieser Herausforderung gegenüber dem Staat und den Sicherheitsbehörden aus.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Wie konkret, glauben Sie, war die Gefahr eines Putsches dieser Gruppe, die aufgeflogen ist, am 7. Dezember? Hätten die das geschafft?

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Sie hätten keinen Umsturz dieses Staates schaffen können. Das halte ich für wirklich ausgeschlossen. Aber sie hätten einen erheblichen Schaden als Bedrohungspotenz darstellen können, weil es hätte zu einem Versuch kommen können. Und das halte ich für sehr wahrscheinlich. Das hat man auch bereits bei den Vereinten Patrioten erkennen können. Also, der Versuch, jemanden wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen. Und dort ist jedenfalls den Ermittlungen zufolge zutage getreten, dass die vorhatten, die Sicherheitskräfte in der Umgebung von Herrn Lauterbach auch zu liquidieren, um überhaupt Lauterbach als Entführungsopfer in ihre Hände bekommen zu können. Das hätte alles durchaus geschehen können. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass man jetzt auch wirklich den Staat in die Knie zwingen kann. Dazwischen muss man unterscheiden. Dennoch aber ist das Bedrohungspotential in diesen Verschwörungsszenarien, die durch die Reichsbürger-Ideologie maßgeblich geprägt gewesen sind, erheblich gewesen.

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Musikakzent

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Noch mal die Reichsbürger – Wenn wir uns anschauen, was man alles rausgefunden hat, (…) nach der Razzia im Dezember, unter anderem wurden sogenannte Feindeslisten gefunden, Listen, auf denen Annalena Baerbock stand und auch CDU-Politiker wie Armin Laschet oder Friedrich Merz, andere Bundestagsmitglieder. Das erinnert fatal – jetzt bin ich bei Anfang 1950er Jahre – an Organisationen, die damals gegründet wurden und die auch Feindeslisten hatten von Sozialdemokraten. Partisanengruppen, die im Falle des Überrolltwerdens von den Russen diese Sozialdemokraten ausschalten wollten, um zu verhindern, dass sie da zusammenarbeiten. Was waren das für Gruppen?

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Ja, zunächst mal sollte man vielleicht mal, um diese Gruppen zuordnen zu können, zwei Indikatoren besonders herausstreichen. Das eine ist die Rede vom Tag X, und das andere sind sogenannte Listen. Damals nannte man die Proskriptionslisten. Das waren aber in Wirklichkeit Liquidierungslisten, also wenn der Tag X kommen würde. Und das bedeutete …

Wie beispielsweise der Mord an Walter Lübke oder auch, ein Jahr später, dieser sogenannte Tankstellenmord in Idar-Oberstein, beides verübt von Tätern aus der Mitte. Und das ist die zentrale These Ihres Buches: Der Russe.

zu Beginn der 50er Jahre: ein Überfall durch die Rote Armee. Und man wollte hinter den Linien durch eine Partisanenarmee dafür sorgen, dass es keine Bündniskräfte für den Angreifer geben würde. Die wollte man ausschalten. Das ist relativ abstrakt, wenn ich das so beschreibe, aber es hatte damals eine wirklich sehr, sehr konkrete Form angenommen, nämlich eine Gruppierung, die einen völlig neutralen, unverdächtigen Namen angenommen hatte. Die nannte sich nämlich Technischer Dienst.

35: 35

35: Da denkt man an so eine Truppe von Handwerkern.

35: Genau, Elektriker oder was auch immer. Dieser Technische Dienst war aber bezogen auf eine Organisation, und die nannte sich Bund Deutscher Jugend. Man hatte 1950 die Idee, eine Art Entsprechung auf bundesdeutscher Seite aufzubauen gegenüber der FDJ in der DDR, …

35: BDJ, FDJ,

35: die ganze Analogie in der Namensgebung verriet das ganz deutlich. Das war das Ziel. Beim Bund Deutscher Jugend, der streng antikommunistisch war, gab es halt führende Politiker wie den späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, der da mit von der Partie war, oder Wolfgang Mischnick von den Freien Demokraten. Und dieser BDJ wurde vom Bundesinnenministerium, vom damaligen Bundesinnenminister Robert Lehr, auch finanziell unterstützt. Das heißt, das hatte im Grunde genommen so eine Art quasi staatliche Ebene und Dimension.

35: Und man hat sogar herausgefunden, dass die Besatzungsmächte, die Amerikaner, das auch unterstützt haben.

35: Ja, das kommt dann außerdem noch mit ins Spiel. Und dieser BD J hat sich dann entschieden, eine Suborganisation aufzubauen namens Technischer Dienst. Dieser Technische Dienst ist im September 1952 aufgeflogen durch jemanden, der sich bei der Frankfurter Kriminalpolizei gemeldet hatte, ein ehemaliger SS-Angehöriger. Der hat dann ausgepackt und deutlich gemacht, dass das der Versuch war unter dem Schild Technischer Dienst eine Partisanenarmee aufzubauen, die auch schon von ihrer Grundstruktur relativ weit vorangeschritten war. Man brauchte dazu nicht im Nahen Osten zu gehen, wie das andere Terroristen dann gemacht haben, sondern man hat im Odenwald, in einem kleinen Nest namens Wald-Michelbach begonnen, ehemalige Wehrmachtsangehörige und SS-Angehörige auszubilden, als Partisanen, die dann im Falle des Falles, nämlich dem Tag X, bei dem Überfall aus dem Osten, hätten aktiv werden sollen. Und die hatten genaue Planungen, genaue Konzepte, unter anderem, dass es Proskriptionslisten gab – das ist alles dokumentierbar, das ist nichts, was man spekulativ sich zusammenzählen müsste, sondern das liegt einem vor. Das Erschreckende besteht darin, dass fast alle führenden Sozialdemokraten auf Länderebene auf diesen Proskriptionslisten standen, wie Max Brauer, der Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg,

35: Ollenhauer …

35: Erich Ollenhauer, der spätere SPD-Parteivorsitzende, oder Herbert Wehner, der ja dann maßgeblich für das Godesberger Programm verantwortlich war, und andere mehr. All diese waren dort verzeichnet und nicht nur verzeichnet vom Namen her, sondern es gab konkrete Personenbeschreibungen, wie ihre Gesichter aussahen, wie sie gekleidet waren, die Größe, das Gewicht. Und das besonders Irritierende besteht darin, dass diese Partisanenarmee unter Leitung eines US-Amerikaners aufgebaut worden ist. Und dieser Mister Garwood, der hatte verschiedene Tarnnamen, man weiß bis heute nicht, welches sein authentischer Name gewesen ist, der wurde dann, als das aufgeflogen ist, sofort in Schutz genommen. Durch den Druck, der seitens der hessischen Landesregierung gemacht worden ist, ließ es sich nicht vermeiden, dass auch im Bundestag ein Untersuchungsausschuss eingerichtet worden ist. Aber dieser Untersuchungsausschuss wurde abgebrochen, weil ganz klar war, dass die US-Amerikaner und damit die Besatzungsmacht hinter diesem Unternehmen steckte. Erst ab 1990 wurde dann deutlich, als es eine Diskussion gab über Gladio, das heißt über sogenannte Stay-Behind-Armeen – dass das offenbar ein Vorläufer einer solchen Stay-Behind-Armee hätte werden sollen, der damals im Aufbau begriffen war und der eine große Gefährdung auch der Demokratie hätte darstellen können.

35: Musikakzent

35: Alte Freunde, neue Feinde. Bonn. So heißt die sechsteilige Miniserie, die jetzt gerade in der ARD gelaufen ist. Sie haben sie auch gesehen, Herr Kraushaar. Worüber wir gerade gesprochen haben, erinnert sehr daran. Wie realistisch ist das, was in der Serie gezeigt wurde, diese Privatarmee, dieses Netzwerk, das da aufgebaut wurde?

Es ist ganz deutlich, dass das, was als Privatarmee dort inszeniert worden ist, dass das am Beispiel dieses Technischen Dienstes – BDJ – abgekupfert worden war. Es passte halt nur in den zeitlichen Ablauf nicht richtig rein. Deshalb hat man es mit anderen Dingen kombiniert, denn diese Miniserie Bonn mündet ja in den Wechsel des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, von West- nach Ostberlin. Und all das, was damit zusammenhängt, bildet sozusagen dramatischen Höhepunkt dieser Miniserie. Aber das Entscheidende ist, glaube ich, die Polarisierung zwischen zwei Behördenleitern. Auf der einen Seite, Otto John, wie erwähnt für den Verfassungsschutz, und auf der anderen Seite Reinhard Gehlen für den Bundesnachrichtendienst. Zu dieser Zeit, als John nach Ostberlin dann entweder entführt oder abgetaucht ist, gab es den BND offiziell noch gar nicht. Aber es gab die Organisation Gehlen, die dann die Grundstruktur für den BND abgegeben hat. Und der Film zeigt, wie sich diese beiden beharkt haben, mit allen möglichen Maßnahmen und auch Undercover-Einsätzen. Und der entscheidende Punkt ist einfach der: Dass Otto John ein Angehöriger des 20. Julis gewesen ist, das heißt der Formation, die versucht hat, das Attentat am 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler durchzuführen.

Es ist ganz deutlich, dass das, was als Privatarmee dort inszeniert worden ist, dass das am Beispiel dieses Technischen Dienstes – BDJ – abgekupfert worden war. Es passte halt nur in den zeitlichen Ablauf nicht richtig rein. Deshalb hat man es mit anderen Dingen kombiniert, denn diese Miniserie Bonn mündet ja in den Wechsel des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, von West- nach Ostberlin. Und all das, was damit zusammenhängt, bildet sozusagen dramatischen Höhepunkt dieser Miniserie. Aber das Entscheidende ist, glaube ich, die Polarisierung zwischen zwei Behördenleitern. Auf der einen Seite, Otto John, wie erwähnt für den Verfassungsschutz, und auf der anderen Seite Reinhard Gehlen für den Bundesnachrichtendienst. Zu dieser Zeit, als John nach Ostberlin dann entweder entführt oder abgetaucht ist, gab es den BND offiziell noch gar nicht. Aber es gab die Organisation Gehlen, die dann die Grundstruktur für den BND abgegeben hat. Und der Film zeigt, wie sich diese beiden beharkt haben, mit allen möglichen Maßnahmen und auch Undercover-Einsätzen. Und der entscheidende Punkt ist einfach der: Einer der ganz, ganz Wenigen aus dem Widerstand, die überhaupt in eine höhere Behörde Einlass gefunden haben.

Es ist ganz deutlich, dass das, was als Privatarmee dort inszeniert worden ist, dass das am Beispiel dieses Technischen Dienstes – BDJ – abgekupfert worden war. Es passte halt nur in den zeitlichen Ablauf nicht richtig rein. Deshalb hat man es mit anderen Dingen kombiniert, denn diese Miniserie Bonn mündet ja in den Wechsel des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, von West- nach Ostberlin. Und all das, was damit zusammenhängt, bildet sozusagen dramatischen Höhepunkt dieser Miniserie. Aber das Entscheidende ist, glaube ich, die Polarisierung zwischen zwei Behördenleitern. Auf der einen Seite, Otto John, wie erwähnt für den Verfassungsschutz, und auf der anderen Seite Reinhard Gehlen für den Bundesnachrichtendienst. Zu dieser Zeit, als John nach Ostberlin dann entweder entführt oder abgetaucht ist, gab es den BND offiziell noch gar nicht. Aber es gab die Organisation Gehlen, die dann die Grundstruktur für den BND abgegeben hat. Und der Film zeigt, wie sich diese beiden beharkt haben, mit allen möglichen Maßnahmen und auch Undercover-Einsätzen. Und der entscheidende Punkt ist einfach der: Ja, das soll angeblich der 13. oder 14. Bewerber gewesen sein, oder Kandidat. Es war von Anfang an klar, dass Otto John als Vertreter des 20. Julis wenig gelitten war durch den Bundeskanzler, durch Konrad Adenauer. Das hat natürlich ihm das Leben als Behördenleiter enorm erschwert. Und noch schwieriger wurde es dann in der Auseinandersetzung mit der Organisation Gehlen, dem späteren Bundesnachrichtendienst. Denn diese wiederum ist maßgeblich geprägt gewesen aus ehemaligen Vertretern der SS, des Sicherheitsdienstes, des SDs, und der Gestapo. Und ich glaube, man hat über lange Zeit nur bruchstückweise, sehr fragmentarisch gewusst, wie weit diese Prägung gereicht hat. Als Einstiegskriterium – hat einer der Historiker, nämlich Gerhard Sälter, der zuletzt am intensivsten über diesen Komplex gearbeitet hat, gesagt – Als Einstiegskriterium für die Aufnahme im BND war eher anzunehmen die ehemalige Zugehörigkeit von verbrecherischen Diensten wie der SS, als deren Ausschluss oder Nichtzugehörigkeit. Also, das ist wirklich ein Phänomen, das heutzutage durch die neueste Forschung noch einmal maßgeblich unterstrichen worden ist und das deutlich macht, dass man damals, also in den 50er Jahren, in der Ära Adenauer, was die Organisierung von Behörden, insbesondere Sicherheitsbehörden, dazu zählt auch das Bundeskriminalamt beispielsweise, auch Teile der Justiz, wirklich auf einem falschen Weg, jedenfalls was die Personalpolitik anbelangte, sich befand.

Dieser Konflikt zwischen John und Adenauer, den Sie angedeutet haben, der resultierte auch daraus, dass John ein starker Gegner der Remilitarisierung war und für die Wiedervereinigung, beides Punkte, wo er im Clinch lag mit Adenauer. Und interessant an dem Fall John finde ich, es wird eigentlich immer nur spekuliert: Hat der nun rübergemacht? Ist er freiwillig gegangen? War er ein Kommunist, ein verkappter? Ist er entführt worden? Das sind Mythen, Legenden, die sich darum ranken. Aber der eigentliche Punkt, was er kritisiert hat, nämlich diese Verflechtung mit alten Nazigrößen in den Behörden und das Warnen vor der Remilitarisierung, das hat man damals nicht gesehen, und es wurde lange, lange immer nur die Frage gestellt: Ist er entführt worden? Ist vergiftet worden?

Dieser Konflikt zwischen John und Adenauer, den Sie angedeutet haben, der resultierte auch daraus, dass John ein starker Gegner der Remilitarisierung war und für die Wiedervereinigung, beides Punkte, wo er im Clinch lag mit Adenauer. Und interessant an dem Fall John finde ich, es wird eigentlich immer nur spekuliert: Betäubt worden, müsste man sagen.

Dieser Konflikt zwischen John und Adenauer, den Sie angedeutet haben, der resultierte auch daraus, dass John ein starker Gegner der Remilitarisierung war und für die Wiedervereinigung, beides Punkte, wo er im Clinch lag mit Adenauer. Und interessant an dem Fall John finde ich, es wird eigentlich immer nur spekuliert: Betäubt.

Dieser Konflikt zwischen John und Adenauer, den Sie angedeutet haben, der resultierte auch daraus, dass John ein starker Gegner der Remilitarisierung war und für die Wiedervereinigung, beides Punkte, wo er im Clinch lag mit Adenauer. Und interessant an dem Fall John finde ich, es wird eigentlich immer nur spekuliert: Es hat damals ja zahlreiche Fälle gegeben, wo von Ostberlin aus durch Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit Leute aus Westberlin nach Ostberlin entführt worden waren. Insofern war das zunächst mal nicht so abwegig, daran zu denken, dass auch Otto John das widerfahren sein könnte. Aber inzwischen gibt es in der neueren Forschung eher die Tendenz, Otto Johns Wechsel als einen von ihm selbst gewollten Wechsel nach Ostberlin, wenn man so will, wie eine politische Verzweiflungstat, geradezu einzuschätzen. Das Verrückte bestand ja darin, dass er auf einer Gedenkveranstaltung war, am 20. Juli 1954, also exakt zehn Jahre nach dem gescheiterten Hitler-Attentat, und an diesem Tag – ich vermute, wenn es von ihm so intendiert war, das sollte natürlich auch ein Zeichen sein – sich dann in die DDR absetzt und auf Pressekonferenzen von Ostberlin aus massiv die Politik der damaligen Bundesregierung angreift, attackiert wegen ihrer viel zu geringen Abwehr gegenüber rechten, durch den Nationalsozialismus maßgeblich belasteten Kräften. Und das muss man, glaube ich, als das Hauptmotiv sehen. Bei ihm war es allerdings auch noch verknüpft immer mit einem weiteren. Eines haben Sie bereits erwähnt, das der Remilitarisierung. Er war ein Gegner der Wiederbewaffnung, aber er wollte sich damit gleichzeitig einsetzen für größere Aussichten für eine Wiedervereinigung Deutschlands. Also, er hatte auch immer noch ein quasi nationales Motiv im Auge, dass nämlich durch eine Art von Austausch mit der DDR es möglich sein könnte, vielleicht irgendwann dann doch in eine Vorstufe zu einem wiedervereinigten Deutschland treten könne. Das spielt bei ihm auch eine Rolle.

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Die Westbindung.

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Ja, das ist sicherlich die große Leistung, das sollte man ihm auch nicht in Abrede stellen, von Konrad Adenauer. Aber diese Leistung, dass es eine demokratische Integration in den Westen gegeben hat, hatte doch erhebliche Nachteile, weil es nämlich erstens die Wiederbewaffnung impliziert hat und weil es darüber hinaus auch jede Perspektive im Hinblick auf eine Wiedervereinigung im Grunde genommen hat auslaufen lassen und es da gar keine Aussichten und Chancen in dieser Hinsicht gab.

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Musikakzent

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Herr Kraushaar, Sie sind bekannt geworden vor allem als Experte für den linken Terrorismus. Sie haben eine Chronik der Achtundsechziger-Bewegung verfasst und ein Standardwerk über die Rote Armee Fraktion. Was hat denn dazu geführt, dass Sie sich nun der Geschichte des Rechtsterrorismus zugewandt haben?

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Es gibt aktuelle Anlässe, über die wir bereits gesprochen haben, dass ich von einer neuen rechten Herausforderung spreche, die zutage getreten ist zurzeit der Corona-Pandemie, weil es dort einen Katalysator für rechte Verschwörungen und Entwicklungen gab. Aber die Gründe, weshalb ich mich diesem Thema zugewendet habe, liegen bereits in meiner eigenen politischen Biographie. Ich bin eigentlich ein Exponent der Achtundsechziger Bewegung. Ich habe in Frankfurt Philosophie studiert, von 1968 an, und war Teil, wenn Sie so wollen, der damaligen Neuen Linken. Und genau zu dieser Zeit schien bereits das Auftreten der NPD als eine enorme politische Herausforderung. Und es hat eine große Bewegung gegeben im Sommer 1969, um zu verhindern, dass die NPD in den Bundestag kommt. Das ist nachher auch gelungen, eigentlich durch einen Zwischenfall. Bei einer Demonstration in Kassel sind zwei Schüler, die demonstriert haben gegen den damaligen NPD-Vorsitzenden Adolf von Thadden, durch einen von dessen Leibwächtern angeschossen worden. Und das hat der NPD im Schlussspurt 1969 den Wahlkampf derartig verhagelt, dass sie es nicht geschafft hat, über die Fünf-Prozenthürde zu kommen. Also, das ist sozusagen ein fester Merkposten in meiner eigenen Erinnerung gewesen. Das Zweite ist, dass ich mich in der Folge mehr mit dem, was die Linke anbetraf, beschäftigt habe. Und das Generalthema waren Protestbewegungen. Ich habe im Jahr 1996 eine große Chronik der Proteste für die 50er Jahre vorgelegt, für die Jahre 1949 bis ‘59. Insofern sind mir diese Bestrebungen, die es von Seiten verschiedener extremistischer Gruppierungen und Parteien während der Adenauer-Ära gegeben hat, alle bereits vertraut gewesen. Das Ganze hat aber noch mal einen ganz anderen Schub bekommen in der Folge der deutschen Einigung. Es gab ja noch einen anderen Faktor, nämlich die Jugoslawienkriege. Dass dieses Land auseinandergefallen war und Serben gegen Kroaten und Kosovaren usw. dort gekämpft haben, das hat zu einer Flüchtlingswelle geführt, die die ohnehin vorhandenen Flüchtlinge noch mal hat anwachsen lassen. Und in der Auseinandersetzung damit gab es dann all diese Vorkommnisse, über die wir auch schon gesprochen haben, nämlich Fremdenfeindlichkeit, Rassismus. Ich habe deshalb extra auch ein Kapitel mit aufgenommen, das sich vor allen Dingen auseinandersetzt mit Vorkommnissen in der DDR, weil man sehen kann inzwischen, aufgrund der Forschung, dass es sehr, sehr viele Vorkommnisse in diesem antifaschistischen Staat DDR gab, die man als neonazistisch, fremdenfeindlich, rassistisch und antisemitisch einordnen muss. Ein Kollege namens Harry Waibel hat das auf der Basis der Unterlagen, die er damals in der Gauck-Behörde aufgefunden hatte, genauer durchforscht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es über 9000 derartige Zwischenfälle in den 60er, 70er, 80er Jahren in der DDR gegeben hat. Und das Verrückte besteht darin, dass ein Ort wie Hoyerswerda, der sozusagen wie eine Art Sündenfall als der erste Ort, in dem die staatlichen Kräfte sich zurückgezogen haben, um den Feinden von Flüchtlingen, diesen Gegenkräften, Raum zu lassen – dass Hoyerswerda bereits in den letzten Jahren der DDR einen ganz ähnlichen Stellenwert hatte, weil es diese fremdenfeindlichen Vorkommnisse damals schon gegeben hatte, bevor die Mauer gefallen war …

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Der Mythos Antifaschismus hat verhindert, dass man darüber überhaupt geredet hat.

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Ja, das war ein No-Go für die Medien in der DDR. Das wurde einfach von der SED und vom MfS untersagt, darüber überhaupt zu berichten. Und wenn es sich gar nicht verhindern ließ, wurde das so abgeschwächt, dass der politische Kern nicht mehr in Erscheinung trat. Das ist ein großes Defizit gewesen, insofern unterlagen wir mit unseren eigenen Einschätzungen auch einer Ausblendung einer solchen Dimension, die eigentlich rechtsorientiert, fremdenfeindlich war und die natürlich dort auch gefährlich war.

Und wir alle wissen, dass Adenauer wichtiger war: Musikakzent

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Wir müssen wehrhafter werden, der Untertitel. Finden sie auch Linien, Strukturen, die die zeigen, so könnt‘s gehen, so könnte man sich wehren?

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Ich glaube, es gibt zwei große Seiten, die man in der Wehrhaftigkeit der Demokratie besonders verorten und hervorheben muss. Das eine sind natürlich diejenigen, deren beruflicher Auftrag es ist, dagegen etwas zu unternehmen. Das sind die Sicherheitsbehörden, aber auch die Parteien, die politischen Parteien, die durch Bildung und durch ihre Ausrichtung mit dazu beitragen müssen, dass diese Kräfte nicht durch die Gesellschaft hindurchmarschieren können. Aber auf der anderen Seite ist die Zivilgesellschaft selber gefordert. Und ich habe, als ich mich das erste Mal mit den 50er Jahren intensiv auseinandergesetzt hatte, eine Erfahrung gemacht, die mich sehr beschäftigt hat, nämlich die Tatsache, dass überall dort, wo es zu Auftritten von ehemaligen Nationalsozialisten, vor allen Dingen von Angehörigen der Waffen-SS, das waren die sogenannten HIAG -Gruppen – als es die gab, da sind in der Regel immer mehr Gegendemonstranten aufgetreten als Teilnehmer von dieser Gruppierung selber. Und die waren zumeist mobilisiert worden durch Gewerkschaften. Das ist ein ganz klassisches Muster gewesen, dass sich konkret, vor Ort, auf lokaler oder regionaler Ebene dann auch Menschen angesprochen gefühlt haben. Und das lief vor allen Dingen über die Gewerkschaften, und die haben eine große Leistung dargeboten durch ihre Widerständigkeit gegenüber Gruppierungen, die verdächtig waren, dass sie die neue Nachkriegsdemokratie bekämpfen würden und dass sie auch Vernetzungen herbeiführen würden. Es hat solche Dinge ja auch in den 50er Jahren bereits gegeben. Das ist ja nicht einfach nur eine Spekulation, sondern es hat verschiedene Organisationen und auch im Bundestag Parteien gegeben. Das war eine Fraktion Neue Rechte, die dort zusammengetreten war. Die sind tatsächlich eine Zeit lang sehr, sehr aktiv gewesen, aber haben, auch durch die Erfolge des sogenannten Wirtschaftswunders und die Wohlstandsentwicklung, dann sehr schnell erst mal einsehen müssen, dass sie da keinen fruchtbaren Boden mehr besaßen. Aber gemessen an diesen ersten Erscheinungen, was Kontinuitätsbestrebungen anbetraf in den 50er Jahren, muss man heute, nach so vielen Jahrzehnten später und so vielen Legislaturperioden, sehr deutlich machen, dass wir es bei einer nicht geringen Anzahl dieser Phänomene mit einem transgenerationellen Zusammenhang zu tun haben. Denn man könnte auch zum Beispiel, was die ehemaligen Bewohner der DDR anbetrifft, überhaupt nicht erklären, woher es kommt, dass es solche Schwergewichte wie Pegida, AfD usw. in den neuen Bundesländern gibt, die dort sehr viel stärker ausgeprägt sind, und auch was die Skepsis und die Feindschaft gegenüber der Demokratie anbelangt, als gegenüber den alten Bundesländern im Westen.

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Wenn Sie das so tief verwurzeln, ist dann nicht Demonstrieren ein bisschen wenig? Wie kann zivilgesellschaftliches Engagement aussehen?

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Also, ich verfüge in dieser Hinsicht über kein wirkliches Rezept, das wäre auch unfair, das behaupten zu wollen. Aber die Parole „mit Rechten reden“, die ist wirklich zu kurz gesprungen. Denn wir haben ja gerade seit 2014 und ‘15 im Kontext der damaligen Flüchtlingsbewegung die Erfahrung machen müssen, dass Strömungen wie Pegida überhaupt nicht bereit gewesen sind, jedenfalls auf ihren eigenen Kundgebungen, mit Leuten der Presse, mit Kritikern zu reden, sondern sie haben nur reaktiv sozusagen versucht dagegenzuhalten. Und das ist etwas, was man wirklich ernst nehmen muss. Andererseits sollte man sich nicht jeglichen Weg einer Kommunikation selber verbieten, weil man glaubt, durch Einsicht – dass es dort einfach nichts mehr zu gewinnen gäbe. Denn es ist ja ein kollektives Phänomen. Wenn man die empirischen Untersuchungen aus dem letzten Jahr noch mal Revue passieren lässt, da geht man davon aus, dass 46 % in den neuen Bundesländern eine demokratieskeptische bis -feindliche Einstellung teilen und 28 % in den alten Bundesländern. Auch für die alten Bundesländer ist das zu hoch, aber in den neuen Bundesländern ist das besonders besorgniserregend. Und diese Dinge verschwinden nicht einfach. Das sind ja langfristige Trends. Und ich glaube, das Entscheidende, was man sich vornehmen muss in der Auseinandersetzung mit diesen Gefährdungen, und darauf lege ich eigentlich den Akzent, das ist die Verhinderung, dass Leute, die demokratiefeindlich sind, selber an die Hebel der demokratischen Macht kommen. Das ist eigentlich das große Warnsignal, das immer noch ausgeht von der Machtergreifung am 30. Januar 1933. Und das war auch der maßgebliche Gedanke für die Mütter und Väter des Grundgesetzes, als sie im Parlamentarischen Rat ab dem September 1948 zusammengetreten waren, das Grundgesetz formuliert haben. Denn das Grundgesetz enthält eine Konzeption der wehrhaften Demokratie und hat bestimmte Elemente damals bereits fixiert, zum Beispiel mit der Möglichkeit des Parteienverbots, Organisationsverbots und andere Dinge mehr. Aber wir haben eine doch deutlich zugenommen Gefährdung auf der politischen Ebene durch die AfD, weil sich die AfD – ich bezeichne das als Essentialisierungsdynamik – ja immer mehr entpuppt hat als eine rechtsradikale Partei. Das heißt, dass diejenigen, die vor allen Dingen durch Björn Höcke, dem Vertreter des sogenannten Flügels, angeführt werden, dass die immer stärker nach vorne getreten sind und diese Partei dominieren. Und es ist nicht auszuschließen, dass es in einem der neuen Bundesländer, wie das bereits in Thüringen beinahe der Fall gewesen wäre, als mit Unterstützung der AfD ein FDP-Politiker als Ministerpräsident gewählt worden war, dass sich so etwas auch in den neuen Bundesländern in nicht allzu großer Ferne abspielt. Das wäre für mich so etwas wie der politische Ernstfall, das bewegt sich auf einer anderen Ebene als das, was wir unter offenkundigem Extremismus oder Radikalismus zu verzeichnen haben, wie die Reichsbürger-Verschwörung oder wie verschiedene Anschläge. Ich glaube, dass das auch der Punkt ist, den jemand wie Ralph Giordano, ein Holocaustüberlebender, nicht zu Unrecht hervorgehoben hat. Der sagt, alles, was sich auf der rechten Seite da tut und versucht, die Demokratie zu unterminieren, damit muss man sich auseinandersetzen, da muss man dagegen sich stemmen. Aber das Gefährliche besteht darin, dass solche Exponenten irgendeines Tages tatsächlich an die Hebel der Staatsmacht kommen. Das wäre der wirkliche Ernstfall. Und das beginnt spätestens auf Landesebene. Und ich glaube, dass man in dieser Hinsicht wirklich sich überlegen muss, wie der Gedanke der Wehrhaftigkeit der Demokratie erneuert werden kann. Aufgebracht worden ist er ja in Reaktion auf den Überfall Putins auf die Ukraine und den Annexionskrieg, den wir seit dem 24. Februar 2022 erleben …

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Da ist es eine Wehrhaftigkeit nach außen.

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Ja, genau. Annalena Baerbock. Als Bundesaußenministerin. Die hat als erste exponiert von der Wehrhaftigkeit der Demokratie gesprochen, hat das nach außen gemeint. Aber inzwischen ist es auch klar, dass es einer Erneuerung der Wehrhaftigkeit nach innen bedarf. Das ist zuletzt durch die Reichsbürger-Verschwörung im Dezember und durch andere Vorkommnisse im vergangenen Jahr wieder ins öffentliche Bewusstsein gekommen. Und diese Vokabeln, Wehrhaftigkeit und Abwehr, die gehören inzwischen zum argumentativen Grundhandwerkszeug von Politikern und Exponenten von Sicherheitsbehörden.

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Herr Kraushaar, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

Ihr Buch ist auch ein Geschichtsbuch, denn Sie zeigen Kontinuitätslinien neonazistischen Denkens auf. Sie suchen nach Strukturen, nach Institutionen, die begünstigen, dass das sozusagen immer wieder aufploppt, dieses Denken. Ihr Buch heißt: Sehr gerne.

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