Halbe Wahrheit, ganze Lüge. Wie Verschwörungstheorien Fakten verdrehen

Shownotes

Halbwahrheiten sind Falschaussagen, die eine Brücke schlagen vom Raum der Tatsachen zu einem Raum der Spekulation und Fiktion, sagt Nicola Gess. Und argumentiert: Sie sind besonders perfide, weil sie sich nicht einmal mehr negativ an der Wahrheit orientieren, sondern die Unterscheidung zwischen wahr und falsch aufweichen und untergraben. Halbwahrheiten gab es schon in der Geschichte, sie sind aber in den politischen Diskursen des so genannten postfaktischen Zeitalters besonders präsent. Die Literaturwissenschaftlerin Gess schlägt einen Fiktionscheck vor, um die gefährliche Scheinevidenz von Halbwahrheiten aufzudecken.

Nicola Gess ist Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Basel. Seit 2019 leitet sie ein Forschungsprojekt zu literatursoziologischen Fragen von Wahrheit, Fiktion und Verschwörung im sogenannten postfaktischen Zeitalter. 2021 erschien Ihr Buch Halbwahrheiten, ein Essay über die „Manipulation von Wirklichkeit“.

Dr. Almut Finck ist Radiojournalistin und Kulturwissenschaftlerin aus Berlin.

Die didaktischen Materialien finden Sie hier: [https://www.historycast.de/]

Staffel 2, Folge 10 des historycast - was war, was wird? des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e. V. [http://geschichtslehrerverband.de]

Gefördert wird das Projekt durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

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Was war - was wird

Der Historycast des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer Deutschlands

Staffel 2: Zauber, Kult, Verschwörungsdenken: Zur Geschichte der „Unvernunft“

Folge 10: Halbe Wahrheit, ganze Lüge. Wie Verschwörungstheorien Fakten verdrehen.

Folge 10: Almut Finck im Gespräch mit Nicola Gess

FINCK: 52.000 Tweets mit Propagandalügen und Halbwahrheiten soll Donald Trump abgesetzt haben, bis zu dem Augenblick, als Twitter das Account des damals noch US-Präsidenten sperrte, kurz nach der Erstürmung des Kapitols im Januar 2021. In den vier vorangegangenen Jahren seiner Amtszeit hatten unter anderem der Fernsehsender CNN und Tageszeitungen wie die Washington Post oder New York Times nicht nur Trumps Tweets, sondern auch seine öffentlichen Reden regelmäßig sogenannten Faktenchecks unterzogen und dann anschließend die Unwahrheiten Punkt für Punkt öffentlich gemacht. Interessant ist nun folgendes: Die nachgewiesenen Falschaussagen des Präsidenten führten überhaupt nicht dazu, dass ihm die republikanische Basis wegbrach, ihr Vertrauen entzog. Trumps Lügerei und seine Glaubwürdigkeit bei seinen Anhängern standen ganz offensichtlich in keinerlei Widerspruch zueinander. Frau Gess, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Mit dem Spruch versuchten meine Eltern noch, mir das Schwindeln abzugewöhnen und die Liebe zur Wahrheit anzuerziehen. Gilt in der Politik dieser Satz nicht oder nicht mehr?

GESS: Ich denke, so pauschal kann man das nicht sagen. Allerdings hat ja der Begriff des postfaktischen politischen Diskurses, der sich seit ungefähr 2016 unter anderem ja auch in Reaktion auf Trumps Wahlkampf damals etabliert hat, schon gezeigt, dass sich offenbar etwas verändert hat im politischen Diskurs, und dass bei so jemandem wie Trump wir es ganz offensichtlich mit dem interessanten Phänomen zu tun haben, dass weder ihn selbst noch seine Anhängerinnen und Anhänger wirklich zu interessieren scheint, ob das, was er von sich gibt, den Tatsachen entspricht oder nicht.

GESS: Nicola Gess ist Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Basel. Seit 2019 leitet sie ein Forschungsprojekt zu literatursoziologischen Fragen von Wahrheit, Fiktion und Verschwörung im sogenannten postfaktischen Zeitalter. 2021 erschien Ihr Buch Halbwahrheiten, ein Essay über die „Manipulation von Wirklichkeit“. Frau Gess, was sind Halbwahrheiten?

Halbwahrheiten sind eine bestimmte Art von Falschaussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sozusagen die Brücke vom Raum der Tatsachen zu einem Raum der Spekulation und der Fiktion schlagen. Und diese Brücke schlagen sie, indem ein kleiner Teil der Halbwahrheit sich an realen Ereignissen, an Tatsachenwahrheiten orientiert, ein größerer Teil häufig aber rein spekulativ oder sogar fiktiv ist. Und so schlagen sie von dem einen zum anderen die Brücke, suggerieren durch den Anschluss an reale Ereignisse, sie würden sich noch in einem Raum der Tatsachen bewegen, befriedigen aber tatsächlich durch diesen spekulativen oder fiktiven Anteil ganz andere Bedürfnisse. Und man kann vielleicht ganz gut erklären, was die Halbwahrheit auszeichnet, wenn man sie mit der Lüge vergleicht. Die Lüge bleibt im Unterschied zur Halbwahrheit sozusagen negativ an die Wahrheit gebunden. Das heißt, der Lügner, der anerkennt in gewisser Weise die Autorität der Wahrheit, indem er sich der Wahrheit widersetzt. Und im Unterschied dazu impliziert eben dieser Begriff der Halbwahrheit, dass die Unterscheidung von wahr und falsch eigentlich verschwimmt, dass sie irgendwann gar keine Rolle mehr spielt. Das heißt, die Halbwahrheit orientiert sich noch nicht einmal negativ an der Wahrheit, sondern einfach nur am Anschein von Wahrheit und damit an ganz anderen Kriterien, zum Beispiel Kriterien wie narrativer Kohärenz oder auch Konsensfähigkeit einer Aussage. Und deshalb ist es eben auch so, dass jemand, der mit Halbwahrheiten jongliert, häufig gar nicht sicher weiß, ob das, was er sagt, stimmt oder nicht, sondern einfach das sagt, was er glaubt, das am besten ankommt. Für so einen Typus hatte der Philosoph Harry Frankfurt den Begriff des Bullshitters geprägt oder diese Rede dann als Bullshit bezeichnet. Und deswegen könnte man eigentlich sagen, dass Halbwahrheiten in gewisser Weise sogar schlimmer sind als Lügen, weil sie eben diese Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit untergraben, aushöhlen, und weil sie natürlich auch viel schwerer zu widerlegen sind. Wenn man eine Halbwahrheit widerlegen will, dann folgt das immer dem Muster: Ja, das und das stimmt zwar, aber das und das stimmt eben nicht. Und viele Leute, die der Halbwahrheit gern Glauben schenken wollen, die hören dann „Ja“, und dann hören sie schon weg oder nehmen das „Ja“ als Beleg, dass an der Story doch was dran ist. Und das macht sie eben sehr perfide. Und deswegen spielen in Formen der Desinformation Halbwahrheiten häufig auch eine sehr prominente Rolle.

Halbwahrheiten sind eine bestimmte Art von Falschaussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sozusagen die Brücke vom Raum der Tatsachen zu einem Raum der Spekulation und der Fiktion schlagen. Und diese Brücke schlagen sie, indem ein kleiner Teil der Halbwahrheit sich an realen Ereignissen, an Tatsachenwahrheiten orientiert, ein größerer Teil häufig aber rein spekulativ oder sogar fiktiv ist. Und so schlagen sie von dem einen zum anderen die Brücke, suggerieren durch den Anschluss an reale Ereignisse, sie würden sich noch in einem Raum der Tatsachen bewegen, befriedigen aber tatsächlich durch diesen spekulativen oder fiktiven Anteil ganz andere Bedürfnisse. Und man kann vielleicht ganz gut erklären, was die Halbwahrheit auszeichnet, wenn man sie mit der Lüge vergleicht. Die Lüge bleibt im Unterschied zur Halbwahrheit sozusagen negativ an die Wahrheit gebunden. Das heißt, der Lügner, der anerkennt in gewisser Weise die Autorität der Wahrheit, indem er sich der Wahrheit widersetzt. Und im Unterschied dazu impliziert eben dieser Begriff der Halbwahrheit, dass die Unterscheidung von wahr und falsch eigentlich verschwimmt, dass sie irgendwann gar keine Rolle mehr spielt. Das heißt, die Halbwahrheit orientiert sich noch nicht einmal negativ an der Wahrheit, sondern einfach nur am Anschein von Wahrheit und damit an ganz anderen Kriterien, zum Beispiel Kriterien wie narrativer Kohärenz oder auch Konsensfähigkeit einer Aussage. Und deshalb ist es eben auch so, dass jemand, der mit Halbwahrheiten jongliert, häufig gar nicht sicher weiß, ob das, was er sagt, stimmt oder nicht, sondern einfach das sagt, was er glaubt, das am besten ankommt. Für so einen Typus hatte der Philosoph Harry Frankfurt den Begriff des Bullshitters geprägt oder diese Rede dann als Bullshit bezeichnet. Und deswegen könnte man eigentlich sagen, dass Halbwahrheiten in gewisser Weise sogar schlimmer sind als Lügen, weil sie eben diese Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit untergraben, aushöhlen, und weil sie natürlich auch viel schwerer zu widerlegen sind. Wenn man eine Halbwahrheit widerlegen will, dann folgt das immer dem Muster: Was begründet aber dann für diejenigen, die das verbreiten, diese Halbwahrheiten, diese Gerüchte, diese seltsamen Anekdoten, die eingebettet sind in immer größere Kontexte, was begründet für diejenigen dann noch Wahrheit? Oder wird von Wahrheit gar nicht mehr geredet? Trump behauptet ja, das, was er sagt, sei wahr.

Halbwahrheiten sind eine bestimmte Art von Falschaussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sozusagen die Brücke vom Raum der Tatsachen zu einem Raum der Spekulation und der Fiktion schlagen. Und diese Brücke schlagen sie, indem ein kleiner Teil der Halbwahrheit sich an realen Ereignissen, an Tatsachenwahrheiten orientiert, ein größerer Teil häufig aber rein spekulativ oder sogar fiktiv ist. Und so schlagen sie von dem einen zum anderen die Brücke, suggerieren durch den Anschluss an reale Ereignisse, sie würden sich noch in einem Raum der Tatsachen bewegen, befriedigen aber tatsächlich durch diesen spekulativen oder fiktiven Anteil ganz andere Bedürfnisse. Und man kann vielleicht ganz gut erklären, was die Halbwahrheit auszeichnet, wenn man sie mit der Lüge vergleicht. Die Lüge bleibt im Unterschied zur Halbwahrheit sozusagen negativ an die Wahrheit gebunden. Das heißt, der Lügner, der anerkennt in gewisser Weise die Autorität der Wahrheit, indem er sich der Wahrheit widersetzt. Und im Unterschied dazu impliziert eben dieser Begriff der Halbwahrheit, dass die Unterscheidung von wahr und falsch eigentlich verschwimmt, dass sie irgendwann gar keine Rolle mehr spielt. Das heißt, die Halbwahrheit orientiert sich noch nicht einmal negativ an der Wahrheit, sondern einfach nur am Anschein von Wahrheit und damit an ganz anderen Kriterien, zum Beispiel Kriterien wie narrativer Kohärenz oder auch Konsensfähigkeit einer Aussage. Und deshalb ist es eben auch so, dass jemand, der mit Halbwahrheiten jongliert, häufig gar nicht sicher weiß, ob das, was er sagt, stimmt oder nicht, sondern einfach das sagt, was er glaubt, das am besten ankommt. Für so einen Typus hatte der Philosoph Harry Frankfurt den Begriff des Bullshitters geprägt oder diese Rede dann als Bullshit bezeichnet. Und deswegen könnte man eigentlich sagen, dass Halbwahrheiten in gewisser Weise sogar schlimmer sind als Lügen, weil sie eben diese Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit untergraben, aushöhlen, und weil sie natürlich auch viel schwerer zu widerlegen sind. Wenn man eine Halbwahrheit widerlegen will, dann folgt das immer dem Muster: An die Stelle des Kriteriums der Wahrheit tritt eigentlich in diesem sogenannten postfaktischen politischen Diskurs etwas ganz anderes, und zwar nicht so sehr die Frage, stimmt das, oder stimmt das nicht, sondern andere Kriterien. Zum Beispiel, ist das eigentlich kohärent mit dem, was ich ohnehin schon glaube? Also, bestätigt das mich in meinen Weltanschauungen, die ich ohnehin schon habe, in meinen Grundüberzeugungen, die ich ohnehin schon habe. Und je mehr das kohärent ist mit dem was, was ich ohnehin schon denke, desto eher halte ich das für glaubwürdig. Ich habe da in meinem Buch zurückgegriffen auch auf Dinge, die man eben in der in der Literaturtheorie schon sehr lange weiß. Ich habe da zum Beispiel auf ein Beispiel eines Dichtungstheoretikers aus dem 18. Jahrhunderts zurückgegriffen, der sich damals Gedanken gemacht hat über den Unterschied zwischen Geschichtsschreibung und Literatur. Und der gesagt hat, naja, also der Schriftsteller, der hat eigentlich viel mehr Freiheiten in seinen Texten, der kann auf tatsächliche Ereignisse zurückgreifen, kann die aber ummodellieren, so dass sie einerseits spannender sind und andererseits eben dem Publikum glaubwürdig erscheinen. Und worauf der Schriftsteller achten muss, ist, zum Beispiel, dass er das Publikum bei bestimmten Weltanschauungen abholt, religiösen Grundüberzeugungen, die natürlich im 18. Jahrhundert noch sehr prominent waren, oder bestimmten abergläubischen Vorstellungen, dass er das Publikum da abholt. Dann, ein zweiter Punkt, den er nennt, dass er so die Stimmungen des Publikums auffängt, also dass er quasi eine emotionale Färbung hineinbringt in seine Geschichte. Das sind Beispiele, die schon damals genannt werden bei der Frage, was muss eigentlich jemand tun, der ein möglichst großes Publikum von seiner eigenen Geschichte überzeugen will? Und da sagt eben dieser Theoretiker, das darf der Schriftsteller alles machen, der Geschichtsschreiber sollte das lieber nicht tun. Und jetzt ist natürlich interessant, wenn man sich diesen politischen Diskurs anguckt, dass vieles davon hier eigentlich auch zutrifft. Das sind erfolgreiche Geschichten, die da produziert werden. Man kann die Halbwahrheiten auch als eine narrative Kleinform verstehen, weil sie eben genau solche Einsichten umsetzt. Sie liefert, was man gerne hören will. Sie ist kohärent mit den Erzählungen, die man ohnehin schon kennt, und insofern ihr dann auch bereitwillig folgt.

Halbwahrheiten sind eine bestimmte Art von Falschaussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sozusagen die Brücke vom Raum der Tatsachen zu einem Raum der Spekulation und der Fiktion schlagen. Und diese Brücke schlagen sie, indem ein kleiner Teil der Halbwahrheit sich an realen Ereignissen, an Tatsachenwahrheiten orientiert, ein größerer Teil häufig aber rein spekulativ oder sogar fiktiv ist. Und so schlagen sie von dem einen zum anderen die Brücke, suggerieren durch den Anschluss an reale Ereignisse, sie würden sich noch in einem Raum der Tatsachen bewegen, befriedigen aber tatsächlich durch diesen spekulativen oder fiktiven Anteil ganz andere Bedürfnisse. Und man kann vielleicht ganz gut erklären, was die Halbwahrheit auszeichnet, wenn man sie mit der Lüge vergleicht. Die Lüge bleibt im Unterschied zur Halbwahrheit sozusagen negativ an die Wahrheit gebunden. Das heißt, der Lügner, der anerkennt in gewisser Weise die Autorität der Wahrheit, indem er sich der Wahrheit widersetzt. Und im Unterschied dazu impliziert eben dieser Begriff der Halbwahrheit, dass die Unterscheidung von wahr und falsch eigentlich verschwimmt, dass sie irgendwann gar keine Rolle mehr spielt. Das heißt, die Halbwahrheit orientiert sich noch nicht einmal negativ an der Wahrheit, sondern einfach nur am Anschein von Wahrheit und damit an ganz anderen Kriterien, zum Beispiel Kriterien wie narrativer Kohärenz oder auch Konsensfähigkeit einer Aussage. Und deshalb ist es eben auch so, dass jemand, der mit Halbwahrheiten jongliert, häufig gar nicht sicher weiß, ob das, was er sagt, stimmt oder nicht, sondern einfach das sagt, was er glaubt, das am besten ankommt. Für so einen Typus hatte der Philosoph Harry Frankfurt den Begriff des Bullshitters geprägt oder diese Rede dann als Bullshit bezeichnet. Und deswegen könnte man eigentlich sagen, dass Halbwahrheiten in gewisser Weise sogar schlimmer sind als Lügen, weil sie eben diese Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit untergraben, aushöhlen, und weil sie natürlich auch viel schwerer zu widerlegen sind. Wenn man eine Halbwahrheit widerlegen will, dann folgt das immer dem Muster: Glaubwürdigkeit ist, denke ich, ein ganz zentraler Begriff. Es geht nicht mehr darum, ob etwas stimmt oder ob man etwas beweisen kann, ob es eine bestimmte Evidenz hat, sondern, ob ich das glaube. Und Glauben heißt (…), dass ich das in eine Erzählung, in eine bestimmte Haltung einbetten kann, dass es also genau dem entspricht, was ich im Grunde vorher schon weiß.

Halbwahrheiten sind eine bestimmte Art von Falschaussagen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sozusagen die Brücke vom Raum der Tatsachen zu einem Raum der Spekulation und der Fiktion schlagen. Und diese Brücke schlagen sie, indem ein kleiner Teil der Halbwahrheit sich an realen Ereignissen, an Tatsachenwahrheiten orientiert, ein größerer Teil häufig aber rein spekulativ oder sogar fiktiv ist. Und so schlagen sie von dem einen zum anderen die Brücke, suggerieren durch den Anschluss an reale Ereignisse, sie würden sich noch in einem Raum der Tatsachen bewegen, befriedigen aber tatsächlich durch diesen spekulativen oder fiktiven Anteil ganz andere Bedürfnisse. Und man kann vielleicht ganz gut erklären, was die Halbwahrheit auszeichnet, wenn man sie mit der Lüge vergleicht. Die Lüge bleibt im Unterschied zur Halbwahrheit sozusagen negativ an die Wahrheit gebunden. Das heißt, der Lügner, der anerkennt in gewisser Weise die Autorität der Wahrheit, indem er sich der Wahrheit widersetzt. Und im Unterschied dazu impliziert eben dieser Begriff der Halbwahrheit, dass die Unterscheidung von wahr und falsch eigentlich verschwimmt, dass sie irgendwann gar keine Rolle mehr spielt. Das heißt, die Halbwahrheit orientiert sich noch nicht einmal negativ an der Wahrheit, sondern einfach nur am Anschein von Wahrheit und damit an ganz anderen Kriterien, zum Beispiel Kriterien wie narrativer Kohärenz oder auch Konsensfähigkeit einer Aussage. Und deshalb ist es eben auch so, dass jemand, der mit Halbwahrheiten jongliert, häufig gar nicht sicher weiß, ob das, was er sagt, stimmt oder nicht, sondern einfach das sagt, was er glaubt, das am besten ankommt. Für so einen Typus hatte der Philosoph Harry Frankfurt den Begriff des Bullshitters geprägt oder diese Rede dann als Bullshit bezeichnet. Und deswegen könnte man eigentlich sagen, dass Halbwahrheiten in gewisser Weise sogar schlimmer sind als Lügen, weil sie eben diese Unterscheidung zwischen Wahrheit und Unwahrheit untergraben, aushöhlen, und weil sie natürlich auch viel schwerer zu widerlegen sind. Wenn man eine Halbwahrheit widerlegen will, dann folgt das immer dem Muster: Genau, das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Dass ich das einbetten kann in das, was ich ohnehin schon weiß, was ich ohnehin fühle, also dass da bestimmte Emotionen auch artikuliert oder ventiliert werden.

Dieses Glauben oder Nichtglauben begegnet einem ja auch häufig, wenn Verschwörungs-theoretiker, Anhänger von Verschwörungstheorien, wenn man denen mit Gegenbeispielen kommt oder wirkliche Zahlen, Statistiken, beispielsweise in der Corona Pandemie Fallzahlen vorlegte und R-Faktoren, Inzidenzen. Dass die dann nicht sagen, ja okay, oder hm, noch mal gucken, sondern die sagen: Das glaube ich nicht. Und dieses „Ich glaube das nicht,“ das heißt: Das will ich nicht glauben. Das passt nicht zu dem, was ich mir überlegt habe, vorher schon.

In meinem Buch habe ich mich ja auch mit Verschwörungstheorien beschäftigt, in einem der Kapitel. Und es ist eben dort auch ganz typisch, das habe ich da anhand der Analyse eines Videos eines Corona-Verschwörungstheoretikers, Ken Jebsen, gezeigt, wie da auch mit Halbwahrheiten-Geschichten gearbeitet wird, um diese Verschwörungstheorie mit einer gewissen Plausibilität zu versehen, mit so einer Art von Scheinevidenz. Und wichtig ist da genau das, was Sie sagen: Da werden natürlich dann nur solche Halbwahrheiten-Geschichten ausgewählt, die letztlich kohärent sind mit der Verschwörungstheorie, die man mit Scheinevidenz versorgen will. Das heißt, andere Dinge, die da nicht reinpassen, andere Tatsachen, wie Sie gerade erwähnt haben, werden dann überhaupt ganz ignoriert.

In meinem Buch habe ich mich ja auch mit Verschwörungstheorien beschäftigt, in einem der Kapitel. Und es ist eben dort auch ganz typisch, das habe ich da anhand der Analyse eines Videos eines Corona-Verschwörungstheoretikers, Ken Jebsen, gezeigt, wie da auch mit Halbwahrheiten-Geschichten gearbeitet wird, um diese Verschwörungstheorie mit einer gewissen Plausibilität zu versehen, mit so einer Art von Scheinevidenz. Und wichtig ist da genau das, was Sie sagen: Ken Jebsen. Corona.

In meinem Buch habe ich mich ja auch mit Verschwörungstheorien beschäftigt, in einem der Kapitel. Und es ist eben dort auch ganz typisch, das habe ich da anhand der Analyse eines Videos eines Corona-Verschwörungstheoretikers, Ken Jebsen, gezeigt, wie da auch mit Halbwahrheiten-Geschichten gearbeitet wird, um diese Verschwörungstheorie mit einer gewissen Plausibilität zu versehen, mit so einer Art von Scheinevidenz. Und wichtig ist da genau das, was Sie sagen: Ein Corona-Verschwörungstheoretiker. Das sind zwei Videos, in denen er eben seine Corona-Verschwörungstheorien verbreitet. Ein Beispiel für so eine Halbwahrheit kann ich da mal rausgreifen. Jebsen erzählt da, dass Bill Gates mit den Impfungen den Menschen einen Chip implantieren wolle, mithilfe dessen dann die Errichtung einer digitalen Diktatur, die totale Kontrolle aller Menschen möglich sei. Und Faktenchecker haben rekonstruiert, was der verschwindend kleine wahre Anteil dieser Aussage ist. Das ist zum einen ein Interview mit Gates, in dem Gates von digitalen Zertifikaten spricht, mit denen sich in Zukunft zeigen lassen werde, wer bereits genesen ist, wer getestet oder geimpft wurde. Und diese Aussage von Gates wurde dann im Nachrichtenstil auf einer Website zitiert und dort fälschlicherweise durch die Behauptung ergänzt, es handele sich dabei um Quantum Dot Tattoos, nämlich in Menschen implantierbare Kapseln mit digitalen Zertifikaten. Dazu muss man dann wieder sagen, dass die Gates Foundation die Entwicklung der so genannten Quantum Dot Dye Technology verfolgt. Bei ihr handelt es sich aber nicht um Mikrochips, und auch nicht um Implantate. Aber in dieser doppelt verfälschten Form ging die Nachricht dann viral, und bald lagerte sich an diese Nachricht dann auch noch die Behauptung an, über den Impfchip sei ein Bewegungstracking möglich. Schließlich kam bei Jebsen dann noch der Erzählstrang hinzu, über den Chip sei auch die Kontrolle der Fortpflanzung möglich. Das ist ein Erzählstrang, der wiederum andere Vorläufer hat. Und was man hier sehr schön sehen kann, zum einen, wie eine Halbwahrheit entsteht, und zum anderen sieht man, wie sie sich verbreitet und wie sie sich in der Verbreitung auch immer weiter verändert und sozusagen sich immer neue Erzählungen anlagern, immer neue Versionen entstehen. Und man sieht eben auch, dass Jebsen nicht einfach irgendwelche Halbwahrheiten konstruiert, sondern dass er Geschichten aufgreift, die sozusagen schon bereits funktioniert haben, also, die es quasi schon gibt und von denen er deswegen annehmen kann, dass zumindest die Impfgegner in seinem Publikum auch schon einmal davon gehört haben, von dieser oder von ähnlichen Geschichten. Also, er hat sozusagen ein Gespür für das Publikum, zu dem er spricht, und greift gezielt solche Halbwahrheiten heraus, bei denen er davon ausgehen kann, dass sie dort besonders auf fruchtbaren Boden fallen.

Verschwörungstheorien funktionieren immer nach dem Prinzip: Wem nützt das? Sie sagen, ist doch ganz klar. Das nützt dem Weltjudentum. Der Mafia. Dem Kapitalismus. Bill Gates und Melinda Gates. Umgedreht muss man aber auch fragen: Wem nützen diese Verschwörungstheorien? Wem nützt es, dass sie so erzählt werden? Wer hat etwas davon, daran zu glauben, dass Bill und Melinda Gates vielleicht unter der Decke stecken mit Angela Merkel, wurde ja auch oft behauptet, und alle Deutschen gechipt werden?

Verschwörungstheorien funktionieren immer nach dem Prinzip: Ich glaube, der Gewinn, den man hat, wenn man an eine solche Theorie glaubt, das ist eigentlich das Gefühl von Handlungsmacht. Man hat das Gefühl, man durchschaut jetzt endlich, was tatsächlich hinter allem steckt. Und zum Zweiten hat man das Gefühl, jetzt weiß ich, wer dafür verantwortlich ist, und jetzt kann ich auch konkret dagegen kämpfen. Ob das jetzt nur ist, ich gehe auf eine Demo und halte ein entsprechendes Schild hoch, oder ob ich in irgendeiner anderen Form das Gefühl habe, ich kann jetzt dagegen vorgehen, immerhin weiß ich, wer mein Gegner ist. Deswegen, diese Personalisierung spielt ja auch eine wichtige Rolle bei Verschwörungstheorien. Es wird nicht systemisch gedacht, sondern das sind in der Regel einzelne Personen, die dann da auch ausgemacht werden, als Gegnerinnen oder Gegner, gegen die man da vorgehen kann. Und so wird man eben das Gefühl von Ohnmacht los, vielleicht auch das Gefühl von Fremdbestimmung los. Das können ja durchaus Gefühle sein, die es sich lohnt, ernst zu nehmen. Also, wenn sich jemand fremdbestimmt fühlt, wenn sich jemand ohnmächtig fühlt, das lohnt sich natürlich, dies ernst zu nehmen und sich zu fragen, woher kommt denn die Ohnmacht? Woher kommt das Gefühl der Fremdbestimmung? Nur – Die Lösung liegt dann nicht darin, an eine Verschwörungstheorie zu glauben, sondern vielleicht andere Formen auch der politischen Selbstermächtigung dann zu suchen. Das ist dann natürlich auch ein Stück weit die Aufgabe von politischen Vertreterinnen und Vertretern, auch von Bildungseinrichtungen, bei diesen Punkten anzuknüpfen und alternative Möglichkeiten der Partizipation am politischen Prozess auch aufzuzeigen und zu unterstützen.

Verschwörungstheorien funktionieren immer nach dem Prinzip: Musikakzent

Verschwörungstheorien funktionieren immer nach dem Prinzip: Sie sprechen in Ihrem Buch von einer Halbwahrheit, die durch die Presse ging. Das war die Geschichte um den Golfer Bernhard Langer.

Verschwörungstheorien funktionieren immer nach dem Prinzip: Da sind wir wieder am Anfang, nämlich bei Trump. Das war eine Geschichte, eine Halbwahrheiten-Geschichte, mit der Trump versucht hat, plausibel zu machen, dass eigentlich er der derjenige sei, der den popular vote für sich erlangt habe.

Verschwörungstheorien funktionieren immer nach dem Prinzip: Popular vote – die Mehrheit der Wählerstimmen. Er und nicht Hillary Clinton.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Dass die Kommunikation von Halbwahrheiten häufig wie die Kommunikation von Gerüchten funktioniert. Das heißt, jemand hört es, gibt es weiter, der gibt es wieder weiter, und jeder schreibt diese Geschichte ein bisschen weiter, verändert die ein bisschen. Und das macht vor allem auf den sozialen Medien natürlich auch einen Teil der Attraktivität aus, weil man sozusagen nicht nur Consumer ist, sondern gleichzeitig auch Produzent. Also, ich habe dafür den Begriff des Prosumer dann aufgenommen, das heißt, man schreibt sozusagen kollektiv an dieser Halbwahrheit weiter. Und so kommt es auch dazu, dass manche Halbwahrheiten-Geschichten in unterschiedlichen Versionen existieren. Und das kann man dann nachvollziehen, wenn man untersucht, woher die kommt und wie die sich in ihrem Gang durch die sozialen Netzwerke verändert hat.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Frau Gess, Sie haben schon das Bild der Brücke erwähnt, der Brücke, die in den Raum der Fiktion führt, von der vermeintlichen Wahrheit oder dem kleinen Teil der Wahrheit. Sie benutzen noch ein anderes Bild, das zunächst kurios klingt. Sie sprechen von einem Kuchenteig.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Ja, das ist interessant, dass Sie das sagen. In dem Buch spreche ich eigentlich noch gar nicht von diesem Kuchenteig. Ich habe dieses Bild von dem Kuchenteig nur einmal in einem anderen Interview verwendet

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Da sehen Sie, wie sich Anekdoten verselbständigen.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Genau. Man kann das Funktionieren der Halbwahrheit mit einem Kuchenteig vergleichen, insofern diese Halbwahrheit sich aus vielen verschiedenen Zutaten zusammensetzt. Da wird ganz viel reingemischt in diesen Teig, unter anderem so ein paar Sprengsel blauer Farbe zum Beispiel, Lebensmittelfarbe. Das sind gewissermaßen diese faktoiden Elemente. Und diese faktoiden Elemente, die sorgen dafür, dass am Ende, obwohl es nur ein paar Sprengsel sind, der ganze Teig schön blau aussieht. Jetzt übertragen auf die Halbwahrheit bedeutet das, dass am Ende die ganze Halbwahrheit diesen Anschein hat zu stimmen, und all die anderen Dinge, die auch noch in den Teig gemischt worden sind, Mehl, Zucker, Eier – das sind dann, bezogen auf die Halbwahrheit, andere Anteile, die dafür sorgen, dass diese Geschichte attraktiv ist, also, dass man sie gerne glauben möchte, weil sie einen eben abholt bei dem, was man ohnehin schon glaubt. Sie gibt einem Bestätigung, weil sie bestimmte Stimmungslagen oder Emotionen aufgreift, weil sie mir vielleicht auch einfachere Antworten gibt, als das andere Aussagen täten und insofern allein durch die Komplexitätsreduktion befriedigender ist. Also, das wären dann sozusagen andere Anteile, die in diesen Kuchenteig auch mit hineingemischt werden, und dafür sorgen, dass der Kuchen sehr, sehr gut schmeckt und dass er eben in seiner komplett blauen Farbe so scheint, als würde es sich tatsächlich um eine faktenbasierte Aussage handeln.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Musikakzent

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Ich möchte mal zu dem Begriff „postfaktisch“ kommen. Leben wir, Frau Gess, in einem postfaktischen Zeitalter? Oder gab es Halbwahrheiten schon in der Geschichte?

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Also, Halbwahrheiten gab es natürlich schon immer und überall. Und wir benutzen auch alle im Alltag Halbwahrheiten, und wir sind auch alle anfällig dafür. Ich habe mich in meinem Buch ja mit einem bestimmten Kontext beschäftigt. Also, mir ging es um die Halbwahrheiten des sogenannten postfaktischen politischen Diskurses. Das ist ganz wichtig, weil die da natürlich auch eine andere Relevanz haben als einfach in unserem Alltag. Was jetzt den Begriff des Postfaktischen angeht, der ist vielleicht mehr oder weniger glücklich gewählt. Einerseits zeigt der Begriff, der ja eben 2016 aufkam und sogar zum Wort des Jahres gewählt wurde, der zeigt ja, dass damals etwas im politischen Diskurs beobachtet wurde von vielen, und zwar, dass die Unterscheidung von Tatsachen und Meinungen zunehmend zu verschwimmen schien und dass Ressentiments und so Bauchgefühlen mehr Gültigkeit zugesprochen wurde als der Orientierung an belegbaren Fakten. Und der Begriff bringt das zum Ausdruck. Insofern beschreibt er ein zeithistorisch neues Phänomen. Andererseits muss man natürlich auch sagen, dass der Begriff insofern irreführend ist, als er suggeriert, wir hätten vorher in einem Zeitalter der Fakten gelebt, und das ist natürlich nicht der Fall. Also schon Hannah Arendt hat in den 60er Jahren über eine Tendenz gesprochen, die sie damals beunruhigt hat, nämlich dass der Unterschied zwischen evidenzbasierten Tatsachen-Wahrheiten und subjektiven Meinungen zunehmend eingeebnet würde im politischen Diskurs. Und mit Arendt geht davon eine Gefahr aus, weil der diskursiven Meinungsbildung, die die Grundlage demokratischer Politik darstellt, der Boden entzogen wird. Das thematisiert sie schon in den 60er Jahren. Und wenn man noch weiter zurückblickt, kann man ganz allgemein vielleicht sagen, das Phänomen, das wir heute als postfaktisch beschreiben, ist eigentlich typisch für Krisenzeiten, vor allem für Wissens- und Vertrauenskrisen. Deswegen haben wir uns in unserem Forschungsprojekt an der Uni Basel auch nicht nur mit der Gegenwart beschäftigt, sondern auch mit anderen Zeitaltern, und interessanterweise kommt noch etwas Drittes dazu, häufig, nämlich ein neues Medium, ein noch wenig reguliertes neues Medium, und eine neue Form von Öffentlichkeit …

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: So wie heute das Internet.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: So ist es, so wie heute die sozialen Medien. Und da haben wir uns zum Beispiel auch mit dem Zeitalter der preußischen Reformen beschäftigt, also das frühe 19. Jahrhundert, oder auch mit der Weimarer Republik beschäftigt, und da ähnliche Phänomene untersucht Eine Mitarbeiterin von mir, Lea Liese, die hat zu diesem Zeitraum geforscht. Ihr Buch erscheint jetzt auch im Februar. Das heißt Mediologie der Anekdote, Politisches Erzählen zwischen Romantik und Restauration. Und die hat sich da mit einer Schnittmenge zwischen politischem, journalistischem und literarischem Diskurs beschäftigt.

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Können Sie da mal ein Beispiel geben?

Genau. Und zwar, die Geschichte, die er da erzählt hat, war, sein Freund, dieser Golfer, hätte ihm erzählt, er sei in einem Wahllokal in Florida nicht zur Wahl zugelassen worden. Andere Wartende hätten ihre Stimme aber abgeben dürfen, obwohl sie wie illegale Einwanderer ausgesehen hätten. Und diese Geschichte hat sich dann ziemlich rasch verbreitet, auch in den deutschen Medien. Und der Golfer, der als deutscher Staatsbürger in den USA gar nicht wählen durfte, der hat dann diese Geschichte entsprechend korrigiert, indem er zum einen gesagt hat, Moment mal, ich darf gar nicht wählen. Und zweitens, dass er das nicht selbst erlebt hat, sondern diese Geschichte nur von einem Freund gehört habe und sie dann einem anderen Freund weitererzählt habe, der sie dann einem weiteren Freund erzählt hat, der über die Verbindung zum Weißen Haus verfügt habe, wo die Geschichte dann entsprechend verzerrt worden sei, um eben Donald Trumps Erzählung wahlweise eines vermeintlichen Wahlbetrugs oder eben die Erzählung, eigentlich sei er ja der winner des popular vote gewesen, und das wäre auch so rausgekommen, wenn nicht lauter Leute hätten wählen dürfen, die eigentlich gar nicht wählen hätten dürfen. Und daran sieht man ganz schön zwei Prinzipien. Zum einen, wie eine solche Halbwahrheit funktioniert. Also, es wird an ein Ereignis angeknüpft, das irgendwo einmal stattgefunden hat, dieser kleine Teil stimmt möglicherweise, und der größere Teil ist aber hinzuerfunden worden, um die Erzählung mit Glaubwürdigkeit zu versorgen. Und das andere, was man daran ganz schön sieht: Clemens Brentano. In einem Fragment aus der Französischen Revolution, da äußert er sich kritisch gegenüber der Revolution, da beschreibt er ein Revolutionsfest, auf dem Adelige ihre Urkunden verbrennen und sich zur Republik bekennen müssen. Und jetzt ist es so, dass zwar historisch überliefert ist, dass 1793 mit einem Dekret über die Abschaffung der Feudallasten ein Befehl erlassen wurde, alle Urkunden zu verbrennen, in denen die Rechte und Privilegien der Adligen aufgezeichnet waren. Aber das geschah nicht direkt vor dem Hintergrund der Revolution, sondern im Zuge der ausbrechenden Bauernunruhen. Und in der Regel waren es auch die Bauern, die diese Pergamente ins Feuer warfen, nicht die Adeligen selbst. Das sind also so Elemente, die Brentanos suggestive Darstellung relativieren. Oder, ein anderes Beispiel, Kleist war auch sehr engagiert genau in diesem Zwischenraum, in diesem Graubereich zwischen literarischem Schreiben und journalistischem Schreiben und auch mit einer anti-napoleonischen Agenda. Wegen seiner Berichterstattung in den Berliner Abendblättern über den Kriegsschauplatz Spanien, wo napoleonische Truppen auf Widerstand gestoßen waren, da bekam Kleist Schwierigkeiten mit der Zensur, weil Berlin seit der Niederlage bei Jena von den Franzosen besetzt war. Und was Kleist dann macht, dann veröffentlicht er stattdessen Seuchenberichte von der Iberischen Halbinsel und auch aus anderen von Napoleon besetzten Teilen Europas. Und in dieser Weise führen die Abendblätter die Ausbreitung von Seuchen sozusagen auf die Ausweitung der Kriegshandlungen zurück. Damit versucht Kleist, verdeckt weiterhin Kritik an den französischen Expansionsplänen zu äußern, und stützt sich dabei zum Großteil auf völlig ungesicherte Quellen, die er aufgreift und erweitert, literarisch fortspinnt. Damit nährt er dann natürlich einmal die Ansteckungsangst der Bevölkerung und bedient zugleich so einen Verdacht gegenüber jeglichen Fremdeinflüssen. Das wären mal so zwei Beispiele.

Die andere Epoche oder den historischen Zeitraum, Sie haben gerade das Stichwort schon genannt: Weimar, die Weimarer Republik. In Ihrem Buch beschreiben Sie den Hochstapler als personifizierte Halbwahrheit und sagen, das sei eine ganz wichtige Sozialfigur gewesen in den Weimarer Jahren. Können Sie das mal erläutern?

Die andere Epoche oder den historischen Zeitraum, Sie haben gerade das Stichwort schon genannt: Ja, die Weimarer Republik war eine Zeit großer wirtschaftlicher und sozialer Missstände. Damals gab es auch ein sehr verbreitetes Misstrauen gegenüber dem neuen politischen System, auch der Wissenschaft und der Presse. Die Presselandschaft war gleichzeitig sehr stark fragmentiert und durch eine Orientierung an unterschiedlichen Weltanschauungen geprägt. Es war auch ein neues mediales Phänomen, dass es so Boulevardzeitungen gab, damals in der Weimarer Republik, also quasi eine neue Medienlandschaft. Und in diesen Kontexten, da blüht das Phänomen auf, das wir heute als postfaktisch bezeichnen, und mit ihm auch die Halbwahrheiten. Und all das bündelt sich quasi in der Sozialfigur des Hochstaplers. Der Hochstapler ist so eine Art Zeittypus par excellence, weil er eben den permanenten Schwindel, das permanente sich Zurechtbiegen der Realität zur Maxime des eigenen Handelns macht. Und Halbwahrheiten spielen eine ganz wesentliche Rolle im Werkzeugkasten des Hochstaplers, weil er mit seinen Halbwahrheiten natürlich dafür sorgt, dass sein Schwindel nicht so schnell auffliegt. Weil er auch hier wieder seine Geschichten und seine Persönlichkeit, die er sich da erfindet, mit einer gewissen Plausibilität versorgt, die ihn vor der Enttarnung schützt.

Ein berühmtes Beispiel: Wir kennen alle Thomas Mann, den Felix Krull, der hat wohl eine historische Vorlage auch. Georges Manolescu – wer war das?

Ein berühmtes Beispiel: Thomas Mann ist einer von vielen Schriftstellern und auch Journalisten, die sich in der Zeit sehr für diese Figur des Hochstaplers interessiert haben. Es haben sich aber auch Kriminologen dafür interessiert. Und Manolescu war ein Hochstapler, der es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hat, unter anderem dadurch, dass er dann nach seiner Enttarnung auch über sein Leben geschrieben hat. Und diese Figur hat viele Zeitgenossen sehr fasziniert.

Ein berühmtes Beispiel: Frau Gess, Sie haben neben Literaturwissenschaft auch Querflöte, Musikwissenschaft und Musikpädagogik studiert. Über die Gewalt der Musik promoviert, an einer Wissensgeschichte des Hörens mitgearbeitet und unter anderem eine Forschungsgruppe zur „Visualität der Barockoper“ geleitet. Wie wird man denn von da zu einer Expertin für Postfaktizität und Verschwörungsdenken und Halbwahrheiten?

Für mich war der unmittelbare Anlass die Erfahrung im Jahr 2016, der Wahlkampf von Donald Trump, und auch der Brexit Wahlkampf. Und ich habe mich wie viele andere zu dem Zeitpunkt gefragt: Was passiert hier eigentlich? Und wie funktioniert eigentlich dieser postfaktische Diskurs, von dem dann ja sehr stark die Rede war. Und ich hatte den Eindruck, dass ich als Literaturwissenschaftlerin und Kulturwissenschaftlerin etwas dazu beitragen kann, zu verstehen, wie dieser politische Diskurs funktioniert. Und meine Hypothese war dabei eben, dass es Sinn macht, sich dafür mit Halbwahrheiten zu beschäftigen, weil Halbwahrheiten eben diese Türöffner sind, aus einem scheinbar faktenbasierten Diskurs in einen Diskurs der Spekulationen und Fiktionen.

Für mich war der unmittelbare Anlass die Erfahrung im Jahr 2016, der Wahlkampf von Donald Trump, und auch der Brexit Wahlkampf. Und ich habe mich wie viele andere zu dem Zeitpunkt gefragt: Musikakzent

Für mich war der unmittelbare Anlass die Erfahrung im Jahr 2016, der Wahlkampf von Donald Trump, und auch der Brexit Wahlkampf. Und ich habe mich wie viele andere zu dem Zeitpunkt gefragt: Ich möchte jetzt noch mal zurückkommen auf den Hochstapler, über den wir gerade gesprochen haben. Sie skizzieren in Ihrem Buch die Figur des journalistischen Hochstaplers. Was ist denn der journalistische Hochstapler – oder wer?

Für mich war der unmittelbare Anlass die Erfahrung im Jahr 2016, der Wahlkampf von Donald Trump, und auch der Brexit Wahlkampf. Und ich habe mich wie viele andere zu dem Zeitpunkt gefragt: Ich habe mich hier mit Claas Relotius beschäftigt. Claas Relotius wurde in den Medien damals, 2018, zur Zeit seiner Enttarnung, wiederholt als Hochstapler bezeichnet. Er war ein Spiegelreporter. Und tatsächlich ist es so, dass Halbwahrheiten in ganz vielen seiner Reportagen eine zentrale Rolle spielen. Weil eben diese Geschichten nie gänzlich erfunden waren, sondern es handelte sich eigentlich immer um eine Mischung aus tatsächlichen und erfundenen Ereignissen. Der Anteil war unterschiedlich, also in manchen Reportagen stimmte mehr, in manchen weniger. Ein sicher extremes Beispiel war der Artikel Königskinder, in dem Relotius von dem Schicksal zweier syrischer Geschwister berichtet. Und zu diesem Artikel ist nur die Existenz des Jungen belegt, den Relotius bei seiner tatsächlich durchgeführten Recherche in der Türkei kennengelernt hat. Aber er stattete den Jungen mit einem fiktiven Lebenslauf aus, der sich aus Geschichten anderer Kinder zusammensetzte, und die Existenz des Mädchens ist gar nicht belegt. Also das ist ein extremes Beispiel. Und das Operieren mit Halbwahrheiten erfüllt für Relotius eine doppelte Funktion. Zum einen schützt er sich mit ihnen vor der Enttarnung, und zwar schützt er sich durch den wahren Anteil. Zum anderen liefert er mit dem fiktiven Anteil eben den Leserinnen und Lesern das, was sie gern lesen wollen. Er war ja sehr erfolgreich mit diesen Reportagen. Er liefert hier die richtige Mischung aus Spannung und Bestätigung, Bestätigung dessen, was man gerne hören möchte oder was man sowieso schon geglaubt hat. Auch ästhetische Befriedigung durch diese quasi durchkomponierten, sehr runden Erzählungen, wo am Ende alles zu einem guten Ende kommt oder die einen guten Spannungsbogen haben. Wo einfach alles zusammenpasst. Das kann man von einem literarischen Text erwarten, von einem gut durchkomponierten Roman, dass sozusagen jede Figur da auch ihren Platz hat in der Erzählung, dass alle Elemente der Handlung zusammenstimmen. Von der Realität kann man das nicht immer unbedingt erwarten. Aber es ist natürlich ästhetisch befriedigend, wenn dann solche Reportagen einem solche Geschichten liefern. Das heißt, das war sozusagen die Grundlage auch für seinen Erfolg. Nicht zuletzt hat natürlich der Spiegel auch von diesem Erfolg profitiert, lange Zeit.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Wir sollten ein bisschen vorsichtig sein mit dem Begriff „postfaktisch“, wenn wir den jetzt nur auf das 21. Jahrhundert anwenden wollen.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Das stimmt. Diese Geschichte, auf die Sie sich beziehen, die ist ja dann später auch in der in dieser Fernsehserie The Wire, die sich ja auch mit verschiedenen Institutionen auseinandersetzt, unter anderem eben auch mit dem Verhältnis der Presse zur Polizei – ist sie auch noch mal wieder aufgegriffen worden.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Sie sagen das in Ihrem Buch so schön, die Reportage flirtet immer ein bisschen mit der Fiktion. Das muss sie, das soll sie auch. Aber dieser Fall Relotius hat, und der von Janet Cooke 1980 auch, dazu geführt, dass das Misstrauen in die Medien noch größer wurde.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Man kann es natürlich auch umgekehrt sehen. Das wurde wirklich sehr umfangreich aufgearbeitet. Das heißt, man könnte auch sagen, das kann dann ein Stück weit natürlich auch wieder Vertrauen stiften, zu sehen, wie selbstkritisch das Medium dann darauf auch eingegangen ist, wie umfangreich der Fall aufgearbeitet wurde, wie wirklich jeder einzelne Artikel bis ins kleinste Detail nachrecherchiert wurde und alles minutiös dargelegt wurde. Das muss man natürlich auch sehen. Also, das gehört zu diesem Relotius-Skandal mit dazu, die Geschichte der Aufarbeitung.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Ich würde gerne zum Schluss jetzt wieder ganz an den Anfang gehen. Wir haben über Donald Trump gesprochen und das Phänomen, dass es offenbar seine Anhänger, die republikanische Basis, überhaupt nicht kümmert, wenn er nicht die Wahrheit sagt, und dass man sie auch nicht mit wirklichen Zahlen, mit Fakten, mit einer Faktenevidenz überzeugen kann. Dieser Faktencheck, der ja auch gemacht wurde, von den Zeitungen, und gemacht wird, weiter, läuft vorbei an dem, was er eigentlich will. Die können 50 Lügen nachweisen, das macht überhaupt keinen Unterschied. Was dann? Was bliebe uns dann, wenn der Faktencheck nicht funktioniert, offenbar?

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Ich halte Faktenchecks für sehr wichtig, und ich habe das auch mit jedem einzelnen der Beispiele in meinem Buch gemacht. Aber es ist, wie Sie sagen, er hat gewisse Grenzen. Und die Grenzen liegen eben darin, dass Menschen, die einer bestimmten Erzählung Glauben schenken wollen, häufig recht unempfänglich sind dagegen. Und das hat unter anderem damit zu tun, dass Halbwahrheiten einmal sehr schwer zu widerlegen sind und zum anderen eben auch einer anderen Logik folgen, die eher derjenigen von Erzählungen, Anekdoten und Gerüchten gleicht, als dieser binären Opposition von wahr und unwahr. Und deswegen habe ich in meinem Buch jetzt als Ergänzung zum Faktencheck den Fiktionscheck vorgeschlagen. Und damit meine ich eigentlich drei Dinge. Das eine haben Sie schon erwähnt, wenn eine Geschichte zu rund ist, zu gut zusammenpasst, zu sehr genau dem entspricht, was ein Publikum hören will, dann kann man schon mal innehalten und sich fragen, Moment, kann das so einfach sein? Wie Sie gesagt haben, „to good to be true“. Und dann geht es mir auch darum zu sagen, nach dem Faktencheck, nachdem beispielsweise ein Faktencheck gezeigt hat, dass es sich bei etwas um eine Falschaussage handelt, dann nicht einfach stehen zu bleiben und das ad acta zu legen, sondern dann zu schauen, wie war das denn gemacht? Wie war diese Falschaussage gestrickt, so dass sie so gut funktioniert hat? In Bezug auf Halbwahrheiten, sich zu fragen, was ist das für eine Logik, nach der die eigentlich funktionieren? Und da haben wir ja schon drüber gesprochen, eine Logik, die eher auf Glaubwürdigkeit, auf emotionale Ansprache, auf Anschlussfähigkeit, auch auf Aufmerksamkeit natürlich ausgerichtet ist. Und diese Logik muss man verstehen. Dann kann man Halbwahrheiten und andere Formen der Desinformation auch leichter entzaubern, denke ich. Und dann ist es auch so, dass man ein Stück weniger anfällig dafür ist, weil man einfach da sensibilisiert ist. Und der dritte Punkt wäre noch, dass man in einem nächsten Schritt sich noch mal fragt, was wurde denn hier, in diesem fiktiven oder hochspekulativen Teil der Halbwahrheit, eigentlich gesagt? Also, was ist das, was diese Aussage attraktiv macht? Und das ist wichtig, damit man an die Ursachen herankommen kann, also auch die Ursachen der Konjunktur der Halbwahrheiten oder auch des postfaktischen Diskurses. Wir haben es hier ja nicht mit einem reinen Diskursproblem zu tun, sondern mit einem Symptom für andere Probleme. Man muss sich dann fragen, was ist das für eine Gesellschaft? Was sind das für Strukturen, die einen postfaktischen Diskurs produzieren oder ermöglichen? Das sind dann sozusagen die Fragen, die daran anschließen. Ich habe eben schon gesagt, beispielsweise Wissens- und Vertrauenskrise wären zwei wichtige Stichworte, über die man sich dann in einem zweiten Schritt Gedanken macht. Wie kommt es zu einer solchen Vertrauenskrise? Inwiefern haben wir es mit einer Wissenskrise zu tun, und was das für Krisenerfahrungen sind das, die vielleicht eben zu diesem Misstrauen führen. Und in dieser Weise halte ich einen Fiktionscheck für sinnvoll als Ergänzung zum immer auch notwendigen Faktencheck.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Ihre Skizzierung des Fiktionschecks zeigt, was für einen analytischen, vielleicht auch didaktischen Mehrwert dieser Begriff „Halbwahrheiten“ besitzt. – Frau Gess, ganz herzlichen Dank für das Gespräch heute.

Ein anderes Beispiel, woran ich mich sofort erinnert fühlte, ist der Fall von Janet Cooke, 1980 schon, also schon vor über vier Jahrzehnten, mit ihrer Reportage „Jimmy’s World“ in der Washington Post, sogar pulitzerpreisgekrönt. Ähnlich wie Relotius war das eine Geschichte, die einfach genial geschrieben war, die stimmte, die rund war, so dass hinterher jemand sagte, hm, „to good to be true,“ da hätten wir vielleicht aufpassen müssen. Die war zu gut, zu rund. Das war die Geschichte eines heroinabhängigen, 9-jährigen Jungen, eines afroamerikanischen Kindes, die Washington erschüttert hat und die vollkommen erfunden war. Aber, wie Sie das so schön beschrieben haben, sie hatte diese faktoiden Einsprengsel. Es gab die Straße, es gab das Viertel, es gab die Drogenkriminalität, das heißt die Erwartungen, dass so etwas stattfinden würde, dass schon Kinder den ersten Schuss gesetzt kriegen, vom Stiefvater, womöglich, die wurden bestätigt. Also, vieles an diesem Fall stimmt total überein mit der Relotius-Geschichte und zeigt, was Sie eben gerade sagten: Sehr gern.

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