Moskau 1956: Stalins Mörder werden zahm

Shownotes

Die Entstalinisierung gilt bis heute im Westen als halbherziger Versuch der Selbstläuterung. Gewaltforscher Jörg Baberowski widerspricht hier vehement. Er hält die damaligen Prozesse für sehr weitreichend und nachhaltig. Denn der massive Terror Stalins und der politische Massenmord seien aus der Sowjetunion und dem heutigen Russland verschwunden.

**Dr. Jörg Baberowski **ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Gewaltforscher. Er ist Autor der Studie Räume der Gewalt und arbeitet an einem Buch über Chruschtschow und die Entstalinisierung.

Dr. Heiner Wember ist Radiojournalist und Historiker aus Münster.

Die didaktischen Materialien finden Sie hier: [https://www.historycast.de/]

Staffel 1, Folge 7 des historycast - was war, was wird? des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands e. V. [http://geschichtslehrerverband.de]

Gefördert wird das Projekt durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

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Was war - was wirdDer Historycast des Verbandes der Geschichtslehrerinnen und Geschichtslehrer Deutschlands

Staffel 1: Wurzeln und Wege der Demokratie

Folge 7: Moskau 1956: Stalins Mörder werden zahm

Folge 7: Heiner Wember im Gespräch mit Jörg Baberowski

Folge 7: Dieses Gespräch wurde aufgezeichnet vor dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine. Deshalb hören Sie im Anschluss zusätzlich eine aktuelle Einschätzung von Jörg Baberowski und Heiner Wember, in der es auch um die Vorhersehbarkeit von historischen Ereignissen und unsere Grenzen der Erkenntnis geht.

WEMBER: Die Gewalt eskaliert, das wissen wir zur Genüge. Aber wie können Gesellschaften aus der Gewaltspirale ausbrechen, den Prozess umkehren? Das wollen wir heute betrachten am Beispiel von Nikita Chruschtschow und der Entstalinisierung. Als Demokraten kann man den Sowjetführer mit Sicherheit nicht bezeichnen, Chruschtschow war auch kein Friedensengel. Im Gegenteil, er war tief verstrickt in die Verbrechen der Stalin-Ära. Gerade deshalb lohnt sich ein Blick auf Chruschtschows Machtübernahme nach Stalins Tod. Denn er schuf eines weitgehend ab: den politischen Mord. Ein Mörder, der vom Morden lässt? Hin zu weniger Gewalt? Warum tat er das, Herr Baberowski?

BABEROWSKI: Es gibt, glaube ich, mehrere Gründe dafür, dass Chruschtschow zum Architekten der Gewalteindämmung wurde. Der erste Grund besteht darin, dass die Gefährten Stalins genug hatten von der Gewalt. Weil sie selbst, und das unterscheidet ja das System des Stalinismus vom Nationalsozialismus, weil sie selbst Teil einer Mordmaschine waren, der sie jederzeit selbst zum Opfer fallen konnten. Stalin spielte die Gefährten gegeneinander aus, er ließ ihre Wohnungen abhören, er bedrohte sie mit Tod und Gewalt, wenn sie die Initiationsrituale nicht begingen, die er ihnen abverlangte, er ließ ihre Angehörigen in Lager bringen, die Ehefrau von Molotow und Staatspräsidenten Kalinin sind im Lager gewesen. Alle hatten also gute Gründe, nach dem Tod des Despoten sich zu überlegen, wie es weitergehen sollte.

BABEROWSKI: Sie hatten alle was davon, kann man das so sagen?

BABEROWSKI: Alle profitierten von der Gewaltlosigkeit.

BABEROWSKI: Auf die anderen Gründe kommen wir gleich noch weiter. Jörg Baberowski ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Gewaltforscher, Autor des Buches „Räume der Gewalt" und er schreibt an einem Buch über Chruschtschow und die Entstalinisierung. Werden wir die Geschichte der Entstalinisierung anschließend anders erzählen, wenn das fertig ist?

BABEROWSKI: Ich denke, ja, sonst würde ich das Buch nicht schreiben. Ich möchte da etwas Neues machen. Ich möchte zum einen zeigen, dass die Entstalinisierung eine der größten zivilisatorischen Leistungen des 20. Jahrhunderts gewesen ist, die im Westen nur deshalb unbeachtet geblieben ist, weil sie im Angesicht der Kubakrise, des Mauerbaus völlig verdrängt worden ist.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Das ist der Rabauke der Weltgeschichte.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Ja, richtig, die Inszenierungen von Chruschtschow waren grenzwertig. Er war nicht unbedingt ein feinsinniger Herr, sondern ein einfacher Bauer mit einer einfachen Sprache. Aber wer das im Lichte des Stalinismus betrachtet, kommt ja zu einer ganz anderen Auffassung. Chruschtschow war der erste bolschewistische Führer, über den man lachen konnte, den man kritisieren durfte, ohne dass man danach getötet oder ins Gefängnis geworfen wurde.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Sie sagten, er war ein Bauer, kam praktisch vom Lande und hat es weit gebracht, bis in den engsten Kreis um Stalin herum.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Richtig. Chruschtschow ist im Grunde ein Beispiel für die soziale Mobilität, die nach der Revolution von 1917 möglich geworden war, dass ganz einfache Menschen, die kaum lesen und schreiben konnten, über eine Karriere im Parteiapparat ganz nach oben, bis in den engsten Kreis von Stalin, aufsteigen konnten.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Wie kommt denn so jemand so nah an Stalin ran?

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Na ja, Chruschtschow war an der Arbeiterfakultät in Moskau in den 20er-Jahren. Er war erst im Donbas, im Osten der Ukraine, und dann kam er nach Moskau, und dort lernte er Stalins Ehefrau kennen, die dort unterwegs war. Und Stalins Ehefrau hat Stalin von diesem jungen Mann berichtet, den sie kennengelernt habe und den sie ganz fabelhaft finde. Und darauf ist Chruschtschow zum Essen eingeladen worden an Stalins Hof.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Stalin konnte wohl ganz charmant sein.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Ja, Stalin konnte sehr charmant sein, wenn er etwas wollte von anderen. Und er hörte auf charmant zu sein, wenn er sie eingewickelt und in seinen Orbit aufgenommen hatte.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Wie funktionierte das? Wie hat Stalin die Menschen so an sich gebunden, dass sie nicht mehr von ihm loskamen?

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Stalin hat einen genauen Blick erst mal für neurotische Menschen gehabt, für psychisch nicht stabile Menschen. Und er hat einen Blick für ehrgeizige Menschen gehabt und einen Blick dafür, dass das Leute sein mussten, die ihm geistig nicht gewachsen waren. Und diese Leute, die diese fantastische Karriere gemacht hatten wie Chruschtschow, der ein Niemand war, und dann wurde er Parteichef von Moskau, diese Leute konnten mit dem Erfolg nicht gut umgehen, und sie waren dem Despoten unendlich dankbar für diesen schnellen Aufstieg. Stalin nutzte diese Leute, wenn er sie also auf Posten gebracht hatte, sich an ihn durch Verbrechen zu binden, indem er sie dazu nötigte, Terrormaßnahmen umzusetzen. Und das war sozusagen das Initiationsritual, um in den engeren Kreis aufgenommen zu werden.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Was war das bei Chruschtschow? Was musste der anstellen?

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Bei Chruschtschow war das vor allem 1937 in Moskau der große Terror. Es sind etwa 680.000 Menschen bis zum November 1938 erschossen worden in der Sowjetunion. Stalin hatte dafür Quoten festgelegt, und er erwartete natürlich, und das wussten die klügeren Parteifunktionäre auch, dass die Funktionäre ihn darum baten, die Quoten erhöhen zu dürfen. Und Chruschtschow war einer von denjenigen, die ganz zu Anfang Stalin schon darum baten, die Quoten in Moskau erhöhen zu dürfen.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: So war es dann ja auch. Im Weltkrieg selber war Chruschtschow in der Ukraine sehr stark engagiert, auch in Stalingrad, in der Schlacht um Stalingrad.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: So ist es, genau. Chruschtschow war einiger der wenigen Politbüromitglieder, der an der Front war. Das hat später eine große Rolle gespielt für seine Außenpolitik.

Und dann noch das Auftreten Chruschtschows auf internationalem Parkett, diese Schuhgeschichte vor der UNO, dass man meinte: Warum?

Sein Sohn hat immer gesagt: Mein Vater hatte den Gestank der verwesenden Leichen in seiner Nase. Er war einer der wenigen, die das gesehen hatten, und einer der wenigen, die das auch mitgenommen hat.

Sein Sohn hat immer gesagt: Gewaltherrscher brauchen viele Bodyguards, weil sie auch mal schlafen müssen. Sie wissen selber, dass sie nicht unverletzlich sind, dass auch sie getötet werden könnten. Am Ende wurde Stalin ein Opfer seiner eigenen Paranoia.

Sein Sohn hat immer gesagt: Seine Datscha in Kunzewo war ja durch drei Sicherheitskordons abgeriegelt, durch die man fahren musste, um überhaupt das eigentliche Gebäude zu erreichen. In dem Haus selbst war es den NKWD-Leuten, die dort Wache schoben, nicht erlaubt, ohne Aufforderung des Diktators seine Räume zu betreten.

Sein Sohn hat immer gesagt: Das wurde schwierig, als der Diktator nicht mehr auffordern konnte.

Sein Sohn hat immer gesagt: So ist es. Er bekam also einen Schlaganfall. In der Regel stand Stalin mittags auf, weil er sehr spät ins Bett ging. Und mittags ertönte immer ein kleines Glöckchen, das Stalin an seinem Schreibtisch hatte. Wenn das Glöckchen ertönte, dann durfte das Personal die Räume betreten. Das passierte nicht, und so riefen also die Wachleute im Kreml an, weil sie sich nicht trauten, die Tür aufzumachen. Und sie warteten, bis Malenkow, Chruschtschow und Beria aus dem Kreml mit dem Wagen nach Kunzewo kamen und sie dann im Vestibül standen und auch nicht wussten, was sie tun sollten.

Sein Sohn hat immer gesagt: Und sich auch nicht trauten hineinzugehen.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Würde er sich wieder erholen, er würde es ihnen nicht verzeihen, dass sie ihn gesehen hatten in der durchnässten Hose. In dem Augenblick erklärte dann Beria: Macht die Tür zu, der schläft nur. Wir wissen, dass sie dann in den Kreml zurückgefahren sind. Und sie haben einen Tag gewartet, bevor sie mit den Ärzten zurückkamen. Dann wussten sie: Wenn sie warten einen Tag, dann wird er sich nicht mehr erholen.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Jetzt wird es ja spannend. Bei so einem System, wo einer alles bestimmt, der Rudelführer ist, wenn der weg ist, dann erwartet man, dass die anderen Wölfe übereinander herfallen.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Genau. Das erwarteten alle, dass das passieren würde. Und alle hatten besondere Angst vor Lawrenti Beria, dem Geheimdienstchef. Ein Psychopath von besonderer Rücksichtslosigkeit, dem sie das zutrauten. Zunächst passierte das aber gar nicht, weil sie sich auf das Prinzip der kollektiven Führung einigten. Das klappte zunächst sehr gut. Nikita Chruschtschow wurde Generalsekretär der Partei.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Der war aber erst auf Platz fünf der Rangliste im Politbüro.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: So ist es. Und weil der Generalsekretär keine Rolle mehr spielte. Stalin hatte die Partei komplett entmachtet. Deshalb war der Posten des Generalsekretärs der unwichtigste Posten.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Das Misstrauen war groß. Und sie überließen es nach und nach, und das ist interessant, sie überließen es nach und nach Chruschtschow, ihre Konflikte zu moderieren.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Weil er der am wenigsten Gefährliche erschien.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: So ist es, Sie haben sich Chruschtschow als denjenigen ausgesucht, von dem sie annahmen, dass er ihnen nicht gefährlich werden könne. Und das war eine kluge Entscheidung, weil das genau so war. Chruschtschow war einer von denen aus der Führung, der nicht danach strebte, Alleinherrscher zu werden. Das war einer der Gründe, warum er dann zum Ersten unter Gleichen wurde und die Initiative ergriff, diesen Beria entfernen zu lassen. Das war der letzte Mord, den sie gemeinsam begingen, nämlich im Frühsommer 1953 Lawrenti Beria aus dem Amt zu drängen, ihn zu verhaften und in einem Geheimverfahren aburteilen und erschießen zu lassen.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Da war Chruschtschow die treibende Kraft im Hintergrund.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Chruschtschow war derjenige, der den Mut hatte, die anderen einzuweihen. Und das Risiko war sehr groß, Chruschtschow war so klug, die Führer der Roten Armee in den Kreml zu bugsieren, die in einem Nebenraum warteten und verhinderten, dass die NKWD-Leute sich einmischten. Und so warteten die Generäle im Nebenraum und brachten Beria dann, verhafteten ihn und brachten ihn in einen Teppich eingewickelt aus dem Kreml.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Den haben die rausgeschmuggelt?

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Den haben sie rausgeschmuggelt, das hat keiner gesehen.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Noch einmal ganz kurz zu den anderen Handelnden. Malenkow wurde dann am Ende Chef eines Kraftwerks im Kaukasus und Molotow wurde ganz am Ende Botschafter in der Mongolei.

So ist es. Am Ende hat dann Beria den Befehl gegeben, weil er der NKWD-Chef war, die Tür aufzumachen. Und als die Tür aufging, sahen sie Stalin im Pyjama auf der Erde liegen, und er hatte sich eingenässt. Er hatte sich in die Hose gemacht, und man konnte das sehen. Und sie sahen, dass Stalin nicht bei Bewusstsein war. Und in dem Augenblick hatten sie alle drei erkannt: Das war aber erst 1957, als sie versucht hatten, Chruschtschow zu stürzen.

Genau. Aber auch ein Beweis dafür: Die kamen nicht ins Lager, die wurden auch nicht exekutiert, sondern die bekamen einen subalternen Posten, auf dem sie halbwegs würdig leben konnten.

Das war 1957 ein Zeichen an die Funktionärselite dieses Landes: Die Konflikte werden anders gelöst. Kritik ist jetzt berechenbar, ist kalkulierbar. Man kann sich dem Generalsekretär widersetzen, und er selbst, der Generalsekretär, ruft das Zentralkomitee zusammen, um die Sache mit Mehrheit abstimmen zu lassen. Und danach gehen diese Leute in Pension und bekommen irgendeinen anderen Posten.

Das war 1957 ein Zeichen an die Funktionärselite dieses Landes: Davor kam ja auch der 20. Parteitag.

Wenn man heute die Rede liest, die ist ja in der deutschen Übersetzung von Chruschtschows Memoiren am Ende abgedruckt, dann ist man schon überrascht, wie viel da drinsteht. Wenn immer gesagt wird: Na ja, das war ganz vorsichtig, das war wenig. Das war für die damaligen Verhältnisse erschütternd. Es war viel. Die Rede handelt von Stalins rücksichtslosem Vorgehen gegen die Kommunistische Parteielite. Sie spricht von schlimmsten Foltern und Repressionen. Sie benennt Namen von Gefolterten und Erschossenen. Er benannte das beim Namen, dass im Namen des Sozialismus ganze Völker deportiert worden waren. Das war so ungeheuerlich, dass den Leuten der Atem stehengeblieben ist.

Wenn man heute die Rede liest, die ist ja in der deutschen Übersetzung von Chruschtschows Memoiren am Ende abgedruckt, dann ist man schon überrascht, wie viel da drinsteht. Wenn immer gesagt wird: Das alles hatte Chruschtschow initiiert.

Ja, Chruschtschow und Mikojan sind die beiden treibenden Figuren in diesem Prozess, das wird ziemlich deutlich, während Molotow und Kaganowitsch im Politbüro immer versuchen zu mäßigen, sagen: Nein, wir müssen auch sagen, dass Stalin ein großer Führer war. Er hatte einige Fehler, aber das können wir in dieser Radikalität nicht sagen. Und dann kommen Personen wie Chruschtschow und Mikojan, die im Politbüro sagen: Wenn wir es nicht sagen, dann verlieren wir unsere Ehre. Wir müssen etwas tun. Wir können doch nicht so tun, als sei nichts gewesen. Und auf dieser Grundlage ist dann die Rede verfasst worden in einem Kollektiv. Und Alexander Jakowlew, einer der Vordenker der Perestroika unter Gorbatschow, der war im Saal und der berichtet davon, dass Chruschtschow zutiefst aufgewühlt gewesen sei, emotional überwältigt. Er sei ständig vom Text abgewichen und habe persönliche Bemerkungen eingefügt, sodass die Dramatik noch viel größer war. Am Ende haben sie aber den Entschluss getroffen, diese Rede nicht während des regulären Parteitags zu halten, weil nämlich am Ende des Parteitags das Zentralkomitee gewählt wurde, und sie fürchteten: Wenn sie das vorher machten, dann würde keiner von ihnen mehr gewählt werden. Und dann würden Fragen gestellt werden: Was hast du denn gemacht? Und deshalb haben sie sich dazu entschlossen, die Delegierten noch einmal aus den Hotels zurückzurufen und Chruschtschow diese Rede ohne Aussprache vorlesen zu lassen. Danach ist die Rede allerdings, deshalb war sie eben nicht geheim, hunderttausendfach in der gesamten Sowjetunion von Parteisekretären in Parteizellen vorgelesen worden.

Ja, Chruschtschow und Mikojan sind die beiden treibenden Figuren in diesem Prozess, das wird ziemlich deutlich, während Molotow und Kaganowitsch im Politbüro immer versuchen zu mäßigen, sagen: Warum ist die Rede dann nicht irgendwann in der Prawda erschienen?

Ja, Chruschtschow und Mikojan sind die beiden treibenden Figuren in diesem Prozess, das wird ziemlich deutlich, während Molotow und Kaganowitsch im Politbüro immer versuchen zu mäßigen, sagen: Weil das auf die Partei beschränkt bleiben sollte. Weil die Partei, so war die Idee der Führung, das unter Kontrolle haben sollte. Was sie verhindern wollten, war, dass sich das verselbstständigte.

Ja, Chruschtschow und Mikojan sind die beiden treibenden Figuren in diesem Prozess, das wird ziemlich deutlich, während Molotow und Kaganowitsch im Politbüro immer versuchen zu mäßigen, sagen: Sie wollten die Kontrolle behalten.

Das Interessante dabei ist: Es zeigt sich überhaupt keine Dankbarkeit dafür. Es hat Chruschtschow, glaube ich, nicht verstanden, dass das zu früh war. Das war zu frisch. Die Täter lebten. Was hat er angenommen, dass sie sich freuen würden? Der Diktator war drei Jahre tot, die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und des Terrors noch nicht verarbeitet. Und nun kommt einer und thematisiert das, redet von Schuld und von solchen Kategorien. Das ist auf eine breite Ablehnung gestoßen, auch in der Bevölkerung.

Das Interessante dabei ist: Die Gulags öffneten sich zum Beispiel, da waren ja Millionen Menschen, die plötzlich wieder nach Hause kamen.

Das Interessante dabei ist: Richtig. Und all diese Maßnahmen waren extrem unpopulär. Vor allen Dingen die Öffnung der Lager war extrem unpopulär.

Man dachte: Jetzt kommt das Gesindel nach Hause, oder was war dann die Reaktion der Menschen?

Na ja, das war ja nicht so ganz falsch. Da waren ja auch Kriminelle. Das ist ja immer eine Generalamnestie für alle möglichen Menschen. Die hatten keine Wohnung, sie hatten keine Arbeit, sie konnten nirgendwohin. Und die Kriminalitätsrate stieg nach der Öffnung der Lager exorbitant. Die kriminellen Banden, die rotteten sich an den Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten zusammen und überfielen Geschäfte und raubten Menschen aus. Man muss sich vorstellen, dass das in einer Mangelgesellschaft, die die Sowjetunion war zu dieser Zeit, überhaupt keine Freude auslöste. Das ist das eine. Das zweite ist: Natürlich hatten die Leute Angst davor, dass die Opfer den Tätern begegneten. Dass sie wieder aufeinandertrafen. Was würde denn dann passieren? Die Denunzianten, die man wiedersah. Das nutzten dann, und da kommen wir zu 57, das nutzten die konservativen Hardliner, um zu sagen: Jetzt ist Schluss. Der Chruschtschow muss weg, der ist unberechenbar, der wird abgesetzt.

Na ja, das war ja nicht so ganz falsch. Da waren ja auch Kriminelle. Das ist ja immer eine Generalamnestie für alle möglichen Menschen. Die hatten keine Wohnung, sie hatten keine Arbeit, sie konnten nirgendwohin. Und die Kriminalitätsrate stieg nach der Öffnung der Lager exorbitant. Die kriminellen Banden, die rotteten sich an den Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten zusammen und überfielen Geschäfte und raubten Menschen aus. Man muss sich vorstellen, dass das in einer Mangelgesellschaft, die die Sowjetunion war zu dieser Zeit, überhaupt keine Freude auslöste. Das ist das eine. Das zweite ist: Welche Machtmittel hatte denn Chruschtschow, um sich zu verteidigen? Hatte er die Armee auf seiner Seite? Oder war es mehr die Partei?

Na ja, das war ja nicht so ganz falsch. Da waren ja auch Kriminelle. Das ist ja immer eine Generalamnestie für alle möglichen Menschen. Die hatten keine Wohnung, sie hatten keine Arbeit, sie konnten nirgendwohin. Und die Kriminalitätsrate stieg nach der Öffnung der Lager exorbitant. Die kriminellen Banden, die rotteten sich an den Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten zusammen und überfielen Geschäfte und raubten Menschen aus. Man muss sich vorstellen, dass das in einer Mangelgesellschaft, die die Sowjetunion war zu dieser Zeit, überhaupt keine Freude auslöste. Das ist das eine. Das zweite ist: Genau. Hier zeigt sich, dass am Ende dann doch die Partei, die ja Stalin entmachtet hatte, entscheidend war, weil Chruschtschow auf sehr kluge Weise erkannt hatte, dass die Partei die einzige unionsweite Öffentlichkeit war, die man hatte. Es gab keine Vereine, keine Parteien, keine Klubs. Chruschtschow hat sehr früh damit begonnen, unmittelbar nach Stalins Tod, die Partei, die Bedeutung der Partei zu reaktivieren. Das Zentralkomitee tagte wieder regulär und regelmäßig, das Politbüro drei Mal in der Woche. Also sozusagen eine Institutionalisierung von Herrschaft.

Na ja, das war ja nicht so ganz falsch. Da waren ja auch Kriminelle. Das ist ja immer eine Generalamnestie für alle möglichen Menschen. Die hatten keine Wohnung, sie hatten keine Arbeit, sie konnten nirgendwohin. Und die Kriminalitätsrate stieg nach der Öffnung der Lager exorbitant. Die kriminellen Banden, die rotteten sich an den Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten zusammen und überfielen Geschäfte und raubten Menschen aus. Man muss sich vorstellen, dass das in einer Mangelgesellschaft, die die Sowjetunion war zu dieser Zeit, überhaupt keine Freude auslöste. Das ist das eine. Das zweite ist: Das war dann seine Machtbasis, also die Partei, auf der er sich dann begründet hat?

Chruschtschows Erfolg beruhte darauf, dass alle sahen: Wenn wir den unterstützen, verschwindet der Terroraus unserem Alltagsleben. Und davon haben wir alle einen Gewinn, ob wir den mögen oder nicht. Das war einer der Gründe, warum er in fast allen Institutionen inklusive des KGB, da ja auch, Anhänger hatte. Und dann machte er etwas sehr Kluges: Er tauschte die Funktionäre aus. Er begann damit, Leute in den Apparat zu bringen, die nicht mehr während des großen Terrors in dem Apparat sozialisiert waren. Sondern die den KGB in eine Institution mit weißen Handschuhen verwandeln wollten. Die sollten die Leute bearbeiten, aber sie nicht mehr nachts aus den Häusern holen und erschießen. Und das alles hat ja dazu geführt, dass Chruschtschows Popularität erst mal nur dadurch wuchs, dass er diese Willkür, diese Willkür und den Terror abschaffte. Und als Molotow, Kaganowitsch, Malenkow den stürzen wollten, hatten doch alle im Saal vor Augen, dass das wiederkommen könnte. Das wollte gar keiner von den Anwesenden. Intellektuelle, die haben das später beschrieben, sie sagen: Die Geburtsstunde der Dissidenten war die Chruschtschow-Zeit, weil plötzlich Kritik berechenbar wurde. Man wurde dann nicht mehr sofort erschossen.

Chruschtschows Erfolg beruhte darauf, dass alle sahen: Das war ja die Tauwetter-Periode, so nannte man sie.

Chruschtschows Erfolg beruhte darauf, dass alle sahen: Richtig, genau. Die Tauwetter-Periode.

Chruschtschows Erfolg beruhte darauf, dass alle sahen: Das autoritäre System funktionierte ja nicht nur nach innen, sondern auch nach außen. Es gab die Satellitenstaaten in Osteuropa, und als das System bröckelte, bröckelte auch die Loyalität der osteuropäischen Länder, vor allen Dingen in Polen und Ungarn. Das war für Chruschtschow ein großes Problem.

Ja, natürlich. Nach den Posener Arbeiterstreiks in Polen ist ja Chruschtschow ganz überraschend nach Warschau geflogen und hat Gomulka auf dem Flughafen zur Rede gestellt. Und Gomulka hat ihm eigentlich sehr schnell klargemacht, dass die polnischen Kommunisten über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung verfügen und deshalb auf Loyalität gegenüber der Sowjetunion angewiesen seien. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Gut, am Abend ist man immer klüger als am Vormittag, und ist zurückgeflogen. Damit war das erledigt, hat er das Gomulka überlassen. Im ungarischen Fall war es ganz anders, weil es da zu blutigen Auseinandersetzungen kam, die sich dann verwandelten in fast bürgerkriegsähnliche Zustände.

Ja, natürlich. Nach den Posener Arbeiterstreiks in Polen ist ja Chruschtschow ganz überraschend nach Warschau geflogen und hat Gomulka auf dem Flughafen zur Rede gestellt. Und Gomulka hat ihm eigentlich sehr schnell klargemacht, dass die polnischen Kommunisten über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung verfügen und deshalb auf Loyalität gegenüber der Sowjetunion angewiesen seien. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Da entschied aber auch das Politbüro und mit Mehrheit. Chruschtschow war wohl gegen die

Ja, natürlich. Nach den Posener Arbeiterstreiks in Polen ist ja Chruschtschow ganz überraschend nach Warschau geflogen und hat Gomulka auf dem Flughafen zur Rede gestellt. Und Gomulka hat ihm eigentlich sehr schnell klargemacht, dass die polnischen Kommunisten über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung verfügen und deshalb auf Loyalität gegenüber der Sowjetunion angewiesen seien. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Intervention zunächst.

Ja, natürlich. Nach den Posener Arbeiterstreiks in Polen ist ja Chruschtschow ganz überraschend nach Warschau geflogen und hat Gomulka auf dem Flughafen zur Rede gestellt. Und Gomulka hat ihm eigentlich sehr schnell klargemacht, dass die polnischen Kommunisten über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung verfügen und deshalb auf Loyalität gegenüber der Sowjetunion angewiesen seien. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Ja, es ist mehrfach hin- und hergegangen. Einmal waren sie gegen die Intervention, dann wieder dafür und dann dagegen. Erst als ins Spiel kam, dass Ungarn das Bündnis verlassen würde, und als die ersten Geheimpolizisten gelyncht wurden in Budapest, in dem Augenblick kam die Entscheidung zur Intervention.

Ja, natürlich. Nach den Posener Arbeiterstreiks in Polen ist ja Chruschtschow ganz überraschend nach Warschau geflogen und hat Gomulka auf dem Flughafen zur Rede gestellt. Und Gomulka hat ihm eigentlich sehr schnell klargemacht, dass die polnischen Kommunisten über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung verfügen und deshalb auf Loyalität gegenüber der Sowjetunion angewiesen seien. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Wie nachhaltig, Herr Baberowski, war denn die Entstalinisierung? War das ein kleines Strohfeuer, das dann schnell wieder weg war, weil auch die Folgen für viele so unbequem waren? Oder hatte Chruschtschows Entstalinisierung auch langfristige Folgen?

Ja, natürlich. Nach den Posener Arbeiterstreiks in Polen ist ja Chruschtschow ganz überraschend nach Warschau geflogen und hat Gomulka auf dem Flughafen zur Rede gestellt. Und Gomulka hat ihm eigentlich sehr schnell klargemacht, dass die polnischen Kommunisten über keinerlei Rückhalt in der Bevölkerung verfügen und deshalb auf Loyalität gegenüber der Sowjetunion angewiesen seien. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Die Entstalinisierung hatte langfristige Folgen dergestalt, dass sie den Terror für immer beseitigte. Die Sowjetunion kehrte zu keinem Zeitpunkt zu den Methoden Stalins zurück. Zwar wurden unter Breschnew die Bedingungen verschärft für Dissidenten und Oppositionelle, das ist keine Frage. Über Stalin wurde nicht mehr gesprochen, wurde stillschweigend rehabilitiert unter Breschnew, aber es gab keine Rückkehr zum Terror, es gab keine Deportationen mehr, keine Einweisung von hunderttausenden Menschen in Lager, keine blutigen Exzesse gegen die Bevölkerung mehr. Innerhalb der Partei gab es einen zivilisierten, mehr oder weniger zivilisierten Machtkampf, der in der Regel damit endete, dass die Unterlegenen in Pension gingen. Und Chruschtschow war der erste, der davon profitierte. Langfristig ist es auch, glaube ich, bedeutsam, dass Chruschtschow und seine Nachfolger an der militärischen Konfrontation mit dem Westen kein Interesse mehr hatten. Kein vernünftiger Mensch in der sowjetischen Führung wäre wie Mao Tse-tung auf die Idee gekommen, einen Krieg könne man doch riskieren und sei eigentlich eine gute Sache. Also das mit der friedlichen Koexistenz, glaube ich, muss man ernst nehmen. Und ich glaube, dass im Nachhinein dann Leute wie Willy Brandt das richtig erkannt haben und die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen haben. Ich glaube, es gab ziemlich viele langfristige Wirkungen. Dass die Sowjetunion ihre beste Zeit in den 60er- und 70er-Jahren hatte, hatte natürlich auch mit der Entstalinisierung zu tun. Also die Sowjetunion, die 60er- und 70er-Jahre waren die fettesten und besten Jahre, die die Bürger der Sowjetunion je hatten, und es waren die friedlichsten Jahre, die sie je hatten. Und insofern, glaube ich, ist viel mehr von dieser Entstalinisierung geblieben, als man glaubt. Und Breschnew hat natürlich nach dem Sturz von Chruschtschow die Kritik an Stalin und die freie Publikation von bestimmten Werken unterbunden, aber alles rückgängig machen konnten sie auch nicht mehr.

Das ging auch nicht. Sagen Sie noch kurz: Woran ist Chruschtschow gescheitert? Warum wurde er abgesetzt?

Chruschtschow ist an mehreren Elementen gescheitert. Das eine war die Außenpolitik, die Kubakrise. Der zweite Grund war die extreme Versorgungskrise. Und das Wichtigste, glaube ich, war, dass Chruschtschow wie später Gorbatschow versuchte, die Partei zu demokratisieren. Chruschtschow hatte vor, ein Rotationssystem einzuführen. Die Funktionäre, die Sekretäre in den Provinzen und im ZK sollten nur für zwei Amtszeiten, dann sollten sie ihren Posten räumen In einem autoritären System, in dem Familien- und Klientelbeziehungen darüber entschieden, wer diese Posten einnahm, war das das Todesurteil für Chruschtschow. Und dann entschieden sie: Der muss weg.

Chruschtschow ist an mehreren Elementen gescheitert. Das eine war die Außenpolitik, die Kubakrise. Der zweite Grund war die extreme Versorgungskrise. Und das Wichtigste, glaube ich, war, dass Chruschtschow wie später Gorbatschow versuchte, die Partei zu demokratisieren. Chruschtschow hatte vor, ein Rotationssystem einzuführen. Die Funktionäre, die Sekretäre in den Provinzen und im ZK sollten nur für zwei Amtszeiten, dann sollten sie ihren Posten räumen In einem autoritären System, in dem Familien- und Klientelbeziehungen darüber entschieden, wer diese Posten einnahm, war das das Todesurteil für Chruschtschow. Und dann entschieden sie: Das Thema Gewalt ist nun kein schönes. Haben Sie da eigentlich noch einen persönlichen Zugang aus der Familie?

Nein. Nein, nein. Das darf man auch nicht tun. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Ich habe überhaupt keine Gewalterfahrungen gemacht. Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht hatten, sollten darüber nicht schreiben. Und deshalb habe ich versucht, mich mit dem sowjetischen Beispiel auseinanderzusetzen, ohne aber jemals irgendeine Affinität zu dem Gewaltthema gehabt zu haben. Ich bin da reingerutscht. Irgendwann fand ich es interessant, mich zu fragen: Warum umgehen eigentlich alle das hässliche Thema, wenn es doch so viele Menschen betrifft? Und warum stellt niemand die Frage, was Gewalt mit Menschen auf Dauer macht, und wie man sie dazu bringt, scheußliche Dinge zu tun, die sie unter normalen Unterständen gar nicht tun würden? Das waren ja nicht alles Psychopathen, die Gewalt ausgeübt haben, inklusive der politischen Führer. Und nun ist halt die Frage, die mich interessiert: Wie kommt man wieder heraus? Und die noch viel interessantere und wichtigere Frage: Warum schaffen es Personen, die an der Gewalt selbst beteiligt waren, den Ausweg zu finden?

Nein. Nein, nein. Das darf man auch nicht tun. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Ich habe überhaupt keine Gewalterfahrungen gemacht. Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht hatten, sollten darüber nicht schreiben. Und deshalb habe ich versucht, mich mit dem sowjetischen Beispiel auseinanderzusetzen, ohne aber jemals irgendeine Affinität zu dem Gewaltthema gehabt zu haben. Ich bin da reingerutscht. Irgendwann fand ich es interessant, mich zu fragen: Sie sagten, der politische Mord in der Sowjetunion war abgeschafft. Heute gibt es nicht viele, aber es gibt politische Morde in der Sowjetunion und es gibt auch, dass Oppositionelle mundtot gemacht werden, im Gefängnis stecken. Ist das ein Rückfall, verglichen mit den sowjetischen Zeiten?

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Das war kein flächendeckendes Modell mehr, mit Opposition umzugehen.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Das Modell, was wir heute aber sehen in Belarus und auch in Russland, ist, dass die Macht sich bei den Machthabern Putin, in dem Fall von Russland, konzentriert und diese Gewaltspirale ja zunimmt, Wahlen manipuliert werden, bis hin dazu, dass die Justiz missbraucht wird, um politische Gegner zumindest mundtot zu machen. Ist das ein Rückfall wieder in ganz alte Zeiten?

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Ich glaube gar nicht, dass man von einem Rückfall sprechen kann. Das steht in einer Traditionslinie. Einer Traditionslinie einer autoritär strukturierten Politik, die immer schon so verfahren ist. Worauf es doch ankommt am Ende, ist, ob diese Gewalt, die da ausgeübt wird, ob sie in gewisser Weise berechenbar ist oder ob sie es nicht ist. Und das ist sie weiterhin. Sie ist berechenbar. Man weiß, wen es treffen kann und wen es nicht trifft. Und das wissen alle Beteiligten, dass es so ist. In Russland kann man unter Historikern alles diskutieren, wenn man nicht über den Zweiten Weltkrieg spricht und über bestimmte heikle Themen, kann alles diskutieren. Das ist kein Problem. Aber jeder weiß im Grunde, was passiert, wenn man einen bestimmten Raum betritt und da frech wird.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Was meinen Sie damit, einen bestimmten Raum betritt?

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Ja, den Raum, in dem der Präsident sitzt. Und wenn man den Raum betritt, in dem der Präsident sitzt, und dann darüber spricht, was man vom Präsidenten hält, oder ihn gar politisch herausfordert wie dieser Nawalny, dann gibt es Ärger. Das wissen aber alle. Und manche riskieren das eben, tun es und zahlen dann die Konsequenz dafür, und andere tun es nicht. Insofern ist das, ja, das stimmt, es ist ein autoritäres Regime. Daran gibt es überhaupt gar keinen Zweifel, dass das so ist. Aber es ist eines, das jetzt keine ungewöhnlichen Dinge täte, die die Leute nicht ohnehin kennen.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Sehen Sie denn eine Spirale, dass es zunimmt, die Repression, die von Putin dann von oben kommt? Oder sehen Sie einfach einen Status, der dann auch sich irgendwann wieder entspannt?

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Putin ist ja in den ersten 15 Jahren seiner Herrschaft extrem populär gewesen in Russland. Also bis zur Krim-Annexion, da war er auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Es ist ja nicht so, dass die Leute den nicht mögen. Aber heute hat sich die Situation ja verändert durch die Milliarden, die ausgegeben werden für Rüstung und für die Inszenierung von kleinen Bürgerkriegen. Dadurch, dass die Zentralregierung in Moskau die Renten in der Ostukraine und auf der Krim auszahlen muss, weil die Ukraine es nicht mehr macht, ist der Staatshaushalt in Schieflage gekommen, die Renten sind gekürzt worden.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Und das heißt, der Druck nimmt doch zu im Land, auch der gesellschaftliche und auch der politische Druck.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Ja, man muss immer schauen, was Druck eigentlich bedeutet in so einem Land, in dem es faktisch keine Parteien und keine zivilgesellschaftlichen Institutionen gibt. Was heißt da Druck? Welchen Druck kann man überhaupt machen? Die Möglichkeiten, Druck auszuüben, sind ja viel geringer als bei uns. Die jungen Leute in Russland sind extrem unzufrieden, weil, Sie müssen sich vorstellen, dass alle Menschen, die zwischen 18 und 20 sind, kennen nichts anderes als Putin.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Ist das nicht eine Spirale, die auch zu mehr Konfrontation, am Ende zu mehr Gewalt führt? ,

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Nein, das glaube ich nicht. Also die Wahlen sind immer schon gefälscht worden. Also das ist ja jetzt nichts Neues. Nur ist er nicht so dumm wie Lukaschenko, sich dann gleich 80 Prozent zu gönnen, sondern er macht das geschickter. Er sucht die Kandidaten der Kommunistischen Partei, die werden von Putins Leuten ausgesucht. Die bezahlen sogar den Wahlkampf für die Kommunisten. Dafür nehmen sie aber Einfluss darauf, wer da in das Parlament kommt. Das wissen in Russland alle. Man kann nicht sagen, dass irgendwie der Druck ins Unermessliche steigt. Die Leute sind unzufrieden, sie haben seit 20 Jahren diesen Putin, sie können den nicht mehr sehen. Wir kennen das alle mit Helmut Kohl, wir hatten am Ende, man konnte es nicht mehr ertragen. Die wollen den weghaben. Die jungen Leute, die nur die Putin-Zeit kennen, sind alle in bescheidenem Wohlstand aufgewachsen, sie konnten alle in den Westen reisen, sie haben alle eine gute Ausbildung. Und dann machen sie die Erfahrung, dass sie in ihrer sozialen Mobilität nicht weit kommen nach oben, weil diese Clique alle sozusagen Ressourcen abgeschöpft hat. Das macht die Leute unzufrieden. Aber das überführt sich eben noch nicht in organisierten Protest. Das ist was anderes. Also wenn es jetzt Parteien gäbe, die das mobilisieren und organisieren könnten, die gibt es nicht.

Also es gab ja in den sowjetischen Zeiten auch Morde. Also so ist es ja nicht, dass es das nicht gegeben hätte. Was ich damit nur sagen will, ist: Wie geht es denn dann weiter in so einem System, dass es nicht gewalttätiger wird und repressiver? Muss Putin dann auch sterben wie Stalin, einsam irgendwo?

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Da ist eine Partei, die gewinnt Wahlen, danach unterdrückt sie die Minorität. So leicht ist das ja nicht. Auch die Kommunisten und die Hofparteien sind ja miteinander verbunden. Der Schirinowski, dieser völlig lächerliche Faschistenführer, der lässt sich bestechen und kaufen. Und die Übergänge sind fließend zwischen den verschiedenen Gruppen. Im Grunde nimmt in Russland das Politische ja kaum jemand ernst. Der Putin weiß das, dass er auf diese Leute angewiesen ist. Und wenn die ihm ihre Unterstützung entziehen, dann wird es für ihn schwierig. Und genau da sehe ich eher die Gefahr. Und wenn er jetzt verkünden würde, wer sein Nachfolger wird, dann würde sehr schnell an seinem Stuhl gesägt. Deshalb lässt er das offen.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Sie sehen eine gewisse Gefahr, aber keine große Gefahr, dass es ein System in Russland gibt, was irgendwann dann explodieren könnte oder zusammenbrechen könnte.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Nein, das halte ich für ausgeschlossen, dass das passiert. Ich glaube auch nicht, dass diese gesellschaftlichen Bewegungen, also die Bewegungen, die man auf der Straße sieht, die sich auf Petersburg und Moskau beschränken und auf die Jugendlichen oder jungen gebildeten Leute, dass die eine Sprengkraft entwickeln. Die Sprengkraft kommt aus den Eliten, die den Staat faktisch unter ihre Kontrolle gebracht haben und die sich an den Staatsressourcen bedienen. Da wird es die eigentlichen Konflikte geben und da wird das entschieden werden.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Immerhin, dank Chruschtschow und der Entstalinisierung muss Putin nicht befürchten, dass er nach seiner Absetzung umgebracht wird.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Ja, das ist eine gute Frage. Das glaube ich auch nicht, dass das passieren wird.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Im schlimmsten Fall könnte Putin aber vor Gericht gestellt werden.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Ja, natürlich.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Aber getötet?

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Nein, so was halte ich für ausgeschlossen. Ich glaube auch nicht, dass das überhaupt passieren wird, weil dann so viel Schmutz aufgewirbelt werden würde, in den die anderen mit hineingezogen würden, dass das für niemanden attraktiv wäre.

Nein. Diese Systeme sind, würde ich sagen, die sind viel flexibler, als wir das glauben. Ich glaube eher, dass der Wandel in Russland, der kommt von innen. Und der wird entschieden in diesen Netzwerken, in diesen Klientelnetzwerken. Da wird das entschieden, ob der Putin weg muss, ob der bleiben kann und wer ihn ersetzt. Diese Seilschaften sind viel geschmeidiger, so korrupt wie die auch immer sein mögen, viel geschmeidiger, als wir das glauben. Und wir stellen uns ja immer vor: Herr Baberowski, was hat Chruschtschow denn moralisch umgetrieben? War da eine moralische Komponente auch?

Das ist bislang, wie ich finde, übersehen worden. Es gibt ein Interview, das der sowjetische Schriftsteller Schatrow, der später in der Perestroika bekannt geworden ist, mit Chruschtschow vor seinem Tod geführt hat. Und er hat ihn gefragt, was er, wenn er noch mal leben könnte, was er anders machen würde. Und Chruschtschow hat darauf geantwortet, als Pensionär, dass seine Arme bis zu den Ellenbogen im Blut stecken. Und dass das eine Tragödie ist, dass er das mit ins Grab nehmen muss, das Wissen darum, was er angerichtet hat und was er getan hat, dass er das nicht rückgängig machen kann. Und das spielt bei Chruschtschow eine extrem große Rolle, weil er 1956 etwas riskierte. Er riskierte seine Macht. Niemand hätte über die Verbrechen sprechen müssen. Sie hätten wie in China nach Maos Tod sagen können: So, Schluss, die Gewalt wird eingestellt, aber darüber wird jetzt nicht gesprochen. Und für Chruschtschow war es ein inneres Bedürfnis, über die Verbrechen zu sprechen. Und nach der Geheimrede hat er gesagt: Es war, als wäre eine schwere Last von meinen Schultern gefallen. Die Entstalinisierung war auch ein moralisches Projekt, weil sie aus machtstrategischen Gründen überhaupt nicht erklärbar ist. Interessant ist auch, dass er dafür sogar Begriffe wie Vergebung, Reue, Sünde und so verwendet, also solche Begriffe verwendet. Das hat mich zutiefst beeindruckt. Chruschtschow hatte etwas zutiefst Menschliches. Er war ruppig, er konnte Menschen beschimpfen und beleidigen, aber er selber, schreibt er, habe auch gehört, wie er sich anschließend wieder entschuldigte bei den Personen, die er beschimpft hatte. Und ich glaube, das Beste, was man über Chruschtschow sagen kann, ist, dass am Ende einer dieser Bildhauer, deren Kunst er als Schwuchtel-Kunst und Hundescheiße beschimpft hatte, dass der dann sein Grabmal gemacht hat, Ernst Neiswestny. Und das Grabmal auf dem Friedhof des Jungfrauenklosters ist ein Kopf von Chruschtschow, umrahmt links von schwarzem und rechts von weißem Granit. Die helle und die dunkle Seite. Und so hätte er sich wahrscheinlich selbst auch gesehen.

Das ist bislang, wie ich finde, übersehen worden. Es gibt ein Interview, das der sowjetische Schriftsteller Schatrow, der später in der Perestroika bekannt geworden ist, mit Chruschtschow vor seinem Tod geführt hat. Und er hat ihn gefragt, was er, wenn er noch mal leben könnte, was er anders machen würde. Und Chruschtschow hat darauf geantwortet, als Pensionär, dass seine Arme bis zu den Ellenbogen im Blut stecken. Und dass das eine Tragödie ist, dass er das mit ins Grab nehmen muss, das Wissen darum, was er angerichtet hat und was er getan hat, dass er das nicht rückgängig machen kann. Und das spielt bei Chruschtschow eine extrem große Rolle, weil er 1956 etwas riskierte. Er riskierte seine Macht. Niemand hätte über die Verbrechen sprechen müssen. Sie hätten wie in China nach Maos Tod sagen können: Herr Baberowski, herzlichen Dank.

Das ist bislang, wie ich finde, übersehen worden. Es gibt ein Interview, das der sowjetische Schriftsteller Schatrow, der später in der Perestroika bekannt geworden ist, mit Chruschtschow vor seinem Tod geführt hat. Und er hat ihn gefragt, was er, wenn er noch mal leben könnte, was er anders machen würde. Und Chruschtschow hat darauf geantwortet, als Pensionär, dass seine Arme bis zu den Ellenbogen im Blut stecken. Und dass das eine Tragödie ist, dass er das mit ins Grab nehmen muss, das Wissen darum, was er angerichtet hat und was er getan hat, dass er das nicht rückgängig machen kann. Und das spielt bei Chruschtschow eine extrem große Rolle, weil er 1956 etwas riskierte. Er riskierte seine Macht. Niemand hätte über die Verbrechen sprechen müssen. Sie hätten wie in China nach Maos Tod sagen können: Danke Ihnen vielmals.

Das ist bislang, wie ich finde, übersehen worden. Es gibt ein Interview, das der sowjetische Schriftsteller Schatrow, der später in der Perestroika bekannt geworden ist, mit Chruschtschow vor seinem Tod geführt hat. Und er hat ihn gefragt, was er, wenn er noch mal leben könnte, was er anders machen würde. Und Chruschtschow hat darauf geantwortet, als Pensionär, dass seine Arme bis zu den Ellenbogen im Blut stecken. Und dass das eine Tragödie ist, dass er das mit ins Grab nehmen muss, das Wissen darum, was er angerichtet hat und was er getan hat, dass er das nicht rückgängig machen kann. Und das spielt bei Chruschtschow eine extrem große Rolle, weil er 1956 etwas riskierte. Er riskierte seine Macht. Niemand hätte über die Verbrechen sprechen müssen. Sie hätten wie in China nach Maos Tod sagen können: Dies Gespräch wurde vor dem Angriff der russischen Truppen auf die Ukraine aufgezeichnet. Deshalb hören Sie nun als Ergänzung noch eine Aktualisierung, die Ende April 2022 aufgezeichnet wurde.

WEMBER: Herr Baberowski, vielen Dank, dass Sie erneut zum Gespräch zur Verfügung stehen, nun, nach dem Angriff der russischen Armee auf die Ukraine, Stand Ende April 2022. Wir können sagen: Nachher ist man ja immer klüger. Wer hätte schon mit all dem gerechnet? Ich nicht, Sie nicht. Zeigt das die Unvorhersehbarkeit der Geschichte?

BABEROWSKI: Natürlich ist alles unvorhergesehen. Wir wissen nicht, was morgen sein wird. Und das ist ja auch der Grund dafür, dass wir kreativ sind, weil das Leben ergebnisoffen ist, weil wir nicht wissen, was morgen passieren kann. Und weil das so ist, versuchen wir uns in der Welt so einzurichten, um Sicherheit zu bekommen. Und deshalb haben wir uns jetzt getäuscht. Aber am Ende kann doch niemand voraussehen, was kommen wird. Und wir wissen, dass alles immer ganz anders kommen kann, als man denkt.

Gehen wir mal auf unser erstes Gespräch ein, was jetzt gerade schon gelaufen ist. Vor dem Angriff: in diesem Gespräch haben Sie gesagt: Worauf es doch ankommt am Ende, ist, ob diese Gewalt berechenbar ist oder ob sie es nicht ist. Und das ist sie weiterhin. Sie ist berechenbar. Bezogen auf Putin. Da haben wir uns ganz schön getäuscht.

Gehen wir mal auf unser erstes Gespräch ein, was jetzt gerade schon gelaufen ist. Vor dem Angriff: Ja und nein. Die Gewalt ist ja natürlich auch dann, wenn sie außer Kontrolle gerät, berechenbar, solange sie im Dienst von Zielen und Zwecken steht. Und jetzt ist die Gewalt zwar ausgebrochen, was ich nicht vermutet habe, dass sie in dieser Form ausbrechen wird. Jetzt sind wir schlauer und wir sehen ja auch ganz genau, was Putin bezweckt und was mit der Gewalt bezweckt werden soll. Am Ende kann man doch aus einer Handlung ein Muster ablesen. Und das, denke ich, kann man auch jetzt klar erkennen.

Ein weiteres Zitat von Ihnen: „In Russland kann man unter Historikern alles diskutieren, wenn man nicht über den Zweiten Weltkrieg spricht." Inzwischen ist Russland ein einziger großer Maulkorb, man darf nicht mal mehr das Wort Krieg in den Mund nehmen.

Ein weiteres Zitat von Ihnen: Ja, das ist so. Die Dinge haben sich geändert. Und zwar schnell und über Nacht. Und in kriegerischen Situationen ist es stets so, dass autoritäre, tyrannische Ordnungen die Gelegenheit nutzen, um die Reihen zu schließen und Abweichler und Feinde zu eliminieren. Und man könnte sagen, darauf hat das Regime geradezu gewartet, dass diese Gelegenheit kommen würde, um im Inneren aufzuräumen. Das ist so, die Dinge haben sich jetzt geändert.

Dazu passt fast auch Ihr nächstes Zitat. Sie sagten: „Es ist ein autoritäres Regime, aber es ist eines, das jetzt keine ungewöhnlichen Dinge täte, die die Leute nicht ohnehin kennen." Wusste man als Russe, was auf einen zukommen kann unter einem Menschen wie Putin?

Ja, natürlich. Die meisten Russen leben ja mit der Ungewissheit. Sehr viel mehr als wir. Also interessanterweise waren meine russischen Kollegen viel weniger irritiert als ich, weil sie gesagt haben: Ja, damit musste man rechnen, dass er das eben tut. Und das, was wir für völlig irrational halten oder für dumm, das haben russische Kollegen für durchaus möglich gehalten, immer schön möglich gehalten, dass die Führung plötzlich etwas tut, was das Leben aus der Bahn wirft.

Ja, natürlich. Die meisten Russen leben ja mit der Ungewissheit. Sehr viel mehr als wir. Also interessanterweise waren meine russischen Kollegen viel weniger irritiert als ich, weil sie gesagt haben: Wir denken ja immer, dass wir möglichst objektiv auf Geschichte blicken. Waren wir da zu blauäugig Putin gegenüber?

Ja, natürlich. Die meisten Russen leben ja mit der Ungewissheit. Sehr viel mehr als wir. Also interessanterweise waren meine russischen Kollegen viel weniger irritiert als ich, weil sie gesagt haben: Nein, das sehe ich nicht in einem anderen Licht. Ich glaube auch nicht, dass Kanzlerin Merkel und andere Putin falsch eingeschätzt haben. Wir haben ihn, glaube ich, alle ziemlich richtig eingeschätzt als jemanden, der bereit ist, Gewalt jederzeit einzusetzen und zu nutzen. Was wir falsch eingeschätzt haben, ist die Tatsache, dass Putin zu Abenteuern bereit ist. Dass er also sich in einen Krieg begibt, der riskant ist für ihn selbst, das alles haben wir falsch eingeschätzt. Wir haben, also ich eingeschlossen, wir haben nicht für möglich gehalten, dass der Mann ein Hasardeur ist, der alles auf eine Karte setzt, der jetzt noch zu Lebzeiten erreichen will, was er sich wünscht. Das habe ich nicht für möglich gehalten. Ich glaube auch bis jetzt noch, dass es unklug ist, dass das kein kluger Schachzug war, alles auf eine Karte zu setzen und nach der Ukraine zu greifen. Er hätte am Ende durch eine Strategie der kleinen Nadelstiche, der kleinen Kriege, das, was er in Ossetien, in Transnistrien und an anderen Orten gemacht hat, am Ende viel mehr erreicht. Und er hätte die Ukraine für immer aus der NATO oder EU heraushalten können, indem er ja ganz einfach ein Territorium in ein permanentes Krisenszenario hätte verwickeln können mit geringem technischen und finanziellen Aufwand. Das hatte ich eigentlich angenommen. Ich glaube, das haben auch in der Politik die meisten geglaubt, dass er so weiter verfahren würde. Das ist doch wirklich überraschend.

Sie hatten gesagt: Der Putin kann ja auch machen, was er will, der Westen lässt es mit sich geschehen. Wir sehen jetzt: Der Westen ist erstaunlich geschlossen und in der Abwehr dieses Angriffs, der auch als Angriff auf die westlichen Werte angesehen wird.

Das würde ich etwas anders sehen. Also ich habe die russische Armee nie so stark eingeschätzt, wie es andere getan haben. Ich habe von vornherein nicht für möglich gehalten, dass sie in drei Tagen Kiew erobern, weil man doch als militärischer Laie auch weiß, dass man große Städte nicht mit Panzern erobert. Das ist absurd. Daran sieht man ja sehr gut, dass die russische Armee führungslos ist, schlecht geführt wird und nicht gut funktioniert. Deshalb finde ich das jetzt nicht überraschend, dass sie nicht weit vorankommen. Sie sind ja auch in Tschetschenien auf einem kleinen Territorium überhaupt nicht gut vorangekommen und haben deshalb die Stadt eingeebnet, weil ihnen was anderes nicht einfiel. Und darin sehe ich die eigentliche Gefahr, nämlich die Destruktion, die jetzt geschieht. Putin wird diesen Krieg nicht leicht gewinnen, wahrscheinlich wird er ihn gar nicht gewinnen, aber die Ukraine wird diesen Krieg auch nicht gewinnen. Und am Ende wird es einen monatelangen, wenn nicht sogar jahrelangen schrecklichen Zermürbungskrieg geben, bei dem Putin am längeren Hebel sitzt, weil seine Armee autark ist, weil er in seiner Rohstoffbelieferung autark ist, weil die russische Bevölkerung Entbehrungen gewöhnt ist und er darauf setzen kann, alles so lange in Schutt und Asche zu bomben und zu zerstören, bis ihm jemand sagt, er solle aufhören, und ihm ein Angebot macht. Und dann komme ich zu Ihrer letzten Bemerkung. Ich glaube nicht, dass der Westen einig ist. In Frankreich hat ja das Ukraine-Thema fast keine Rolle im Wahlkampf gespielt, sondern die Inflation, die Einwanderungs- und Migrationsfrage. In Spanien sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Orban hat die Wahlen gewonnen mit dem Hinweis: Wir halten uns aus diesem Krieg heraus, wir wollen das nicht. Das hat die Mehrheit der Bevölkerung durch eine eindeutige Wahlentscheidung dann gratifiziert. Und sobald die Wirtschaftskrisen in Europa durchschlagen, und sie werden auch hier durchschlagen, und sobald man sich an diesen Krieg gewöhnt hat, so schrecklich wie das ist, wenn ein Krieg monatelang dauert, gewöhnen sich die Leute daran, wenn er nicht auf dem eigenen Territorium stattfindet, und dann wird sich noch zeigen, ob das satte Europa wirklich bereit ist, Opfer hinzunehmen. Und wir machen uns da nichts vor, Wahlen werden hier über das Portemonnaie gewonnen und nicht über moralische oder Wertefragen.

Das würde ich etwas anders sehen. Also ich habe die russische Armee nie so stark eingeschätzt, wie es andere getan haben. Ich habe von vornherein nicht für möglich gehalten, dass sie in drei Tagen Kiew erobern, weil man doch als militärischer Laie auch weiß, dass man große Städte nicht mit Panzern erobert. Das ist absurd. Daran sieht man ja sehr gut, dass die russische Armee führungslos ist, schlecht geführt wird und nicht gut funktioniert. Deshalb finde ich das jetzt nicht überraschend, dass sie nicht weit vorankommen. Sie sind ja auch in Tschetschenien auf einem kleinen Territorium überhaupt nicht gut vorangekommen und haben deshalb die Stadt eingeebnet, weil ihnen was anderes nicht einfiel. Und darin sehe ich die eigentliche Gefahr, nämlich die Destruktion, die jetzt geschieht. Putin wird diesen Krieg nicht leicht gewinnen, wahrscheinlich wird er ihn gar nicht gewinnen, aber die Ukraine wird diesen Krieg auch nicht gewinnen. Und am Ende wird es einen monatelangen, wenn nicht sogar jahrelangen schrecklichen Zermürbungskrieg geben, bei dem Putin am längeren Hebel sitzt, weil seine Armee autark ist, weil er in seiner Rohstoffbelieferung autark ist, weil die russische Bevölkerung Entbehrungen gewöhnt ist und er darauf setzen kann, alles so lange in Schutt und Asche zu bomben und zu zerstören, bis ihm jemand sagt, er solle aufhören, und ihm ein Angebot macht. Und dann komme ich zu Ihrer letzten Bemerkung. Ich glaube nicht, dass der Westen einig ist. In Frankreich hat ja das Ukraine-Thema fast keine Rolle im Wahlkampf gespielt, sondern die Inflation, die Einwanderungs- und Migrationsfrage. In Spanien sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Orban hat die Wahlen gewonnen mit dem Hinweis: Sie sprachen davon auch in dem Interview, dass Putin sicherlich nicht von der Straße gestürzt würde, durch Wahlen erst recht nicht, sondern dass er durch die Eliten des Landes wenn er nicht mehr im Interesse der Eliten handeln würde. Sehen wir nicht gerade jetzt, dass er umgekehrt eher die Eliten ausschaltet, nämlich die Oligarchen, und sich umgibt mit einer kleinen Gruppe von Hardlinern und von daher viel fester noch im Sattel sitzt als vor diesem Krieg?

Es ist im Grunde noch nie ein russischer Herrscher vom Volk gestürzt worden. Und es ist diese kleine Clique von Geheimdienstleuten, die ihn in einer Palastrevolte wegschaffen könnte. Aber diese Leute haben im Angesicht der Krise ein ganz geringes Interesse daran, das Pferd zu wechseln. Das macht man eher nach dem Sieg, also: Das wollen wir nicht noch mal machen, den schaffen wir jetzt weg. Aber in dem Augenblick, wo die eigene Integrität und Macht bedroht ist und man befürchten muss, dass, wenn Putin stürzt, man selber mit fällt, lässt man es lieber bleiben. Deshalb halte ich die Aussicht, dass er gestürzt wird, für außerordentlich gering.

Es ist im Grunde noch nie ein russischer Herrscher vom Volk gestürzt worden. Und es ist diese kleine Clique von Geheimdienstleuten, die ihn in einer Palastrevolte wegschaffen könnte. Aber diese Leute haben im Angesicht der Krise ein ganz geringes Interesse daran, das Pferd zu wechseln. Das macht man eher nach dem Sieg, also: Wir haben ja schon falsch gelegen auch bei den Prognosen vor dem Angriff auf die Ukraine. Wie geht denn jetzt dieser Konflikt aus? Sie sagen, es kann ein langer, zermürbender Krieg werden, an dem Putin am Ende sogar als Sieger dastehen könnte. Ist das Ihr Szenario?

Also das wäre mein erstes Szenario, weil er weiß, dass er nicht mehr gewinnen kann. Aber es ist ja ausgeschlossen, dass er hingeht und sagt: Ich habe mich geirrt, ich zahle Reparation, gebe den Donbas zurück und stelle die Uhr auf null. Das wird er nicht tun. Das wissen wir alle, dass das nicht geht. Damit wäre er erledigt. Das wird nicht funktionieren. Wenn er aber nicht gewinnen kann - das Interesse, das er hat, besteht dann darin, diesen Krieg so lange hinauszuzögern, bis er auch einen Effekt in Westeuropa zeigt.

Also das wäre mein erstes Szenario, weil er weiß, dass er nicht mehr gewinnen kann. Aber es ist ja ausgeschlossen, dass er hingeht und sagt: Das auszusitzen praktisch und auszukämpfen.

Ja, die Infrastruktur der Ukraine zerstören. Das ist ja das, was er gerade macht, also Brücken, Krankenhäuser, Wasserkraftwerke, dass alles rundherum zerstört und für immer kaputtgemacht wird, sodass die Ukraine am Ende ein wertloses Land ist, in das man Milliarden pumpen müsste, um es wiederaufzubauen. Und dieses Szenario, wenn jetzt als nächste Stadt Odessa kurz und klein geschossen wird und er das mit einer Stadt nach der nächsten macht, ohne den Krieg gewinnen zu können, dann ist doch klar, dass irgendwann eine Situation entsteht, in der sich Banden bilden, Warlord-Territorien entstehen, dass eine Situation wie in Syrien oder sonst wo entsteht, wenn dieser Krieg nicht aufhört, weil Menschen ja in diesem Chaos irgendwie überleben müssen und weiterleben müssen. Da wird eine Situation geschaffen, die auch am Ende Europa destabilisieren wird. Und worauf wir hier vertrauen und hoffen, ist, dass er zur Einsicht kommt, dass er nicht gewinnen kann, dass er dann aufhört, dass er Gespräche anbietet. Davon hat er aber keinen Gewinn. Und deshalb wird er erst mal damit weitermachen. Und er hofft darauf, und ich glaube, dass er da Recht haben könnte, dass sich Europa in dieser Frage entzweien wird. Und wir haben ja schon in Deutschland den Konflikt zwischen denen, die sagen: Da muss man Waffen reinpumpen, da muss man noch mehr machen, und denjenigen wie Scholz, die sagen: Da muss man auch nachdenken darüber, welche Folgen das am Ende für uns hat.

Ja, die Infrastruktur der Ukraine zerstören. Das ist ja das, was er gerade macht, also Brücken, Krankenhäuser, Wasserkraftwerke, dass alles rundherum zerstört und für immer kaputtgemacht wird, sodass die Ukraine am Ende ein wertloses Land ist, in das man Milliarden pumpen müsste, um es wiederaufzubauen. Und dieses Szenario, wenn jetzt als nächste Stadt Odessa kurz und klein geschossen wird und er das mit einer Stadt nach der nächsten macht, ohne den Krieg gewinnen zu können, dann ist doch klar, dass irgendwann eine Situation entsteht, in der sich Banden bilden, Warlord-Territorien entstehen, dass eine Situation wie in Syrien oder sonst wo entsteht, wenn dieser Krieg nicht aufhört, weil Menschen ja in diesem Chaos irgendwie überleben müssen und weiterleben müssen. Da wird eine Situation geschaffen, die auch am Ende Europa destabilisieren wird. Und worauf wir hier vertrauen und hoffen, ist, dass er zur Einsicht kommt, dass er nicht gewinnen kann, dass er dann aufhört, dass er Gespräche anbietet. Davon hat er aber keinen Gewinn. Und deshalb wird er erst mal damit weitermachen. Und er hofft darauf, und ich glaube, dass er da Recht haben könnte, dass sich Europa in dieser Frage entzweien wird. Und wir haben ja schon in Deutschland den Konflikt zwischen denen, die sagen: Sehen Sie noch ein anderes Szenario, den Atomkrieg?

Tja, wissen Sie, das ist immer das Problem, Prognosen sollte man eigentlich nicht abgeben. Also einen großen Atomschlag, den könnte er ja nur gegen die NATO führen. Alles andere wäre ja sinnlos. Das ist ja selbstmörderisch. Also wer das macht, kriegt die zehnfache Menge aus den USA. Das ist ja klar, dass da sofort reagiert wird. Das halte ich für nicht wahrscheinlich. Aber dass taktische Atomwaffen eingesetzt werden können, die lokal begrenzt in der Ukraine fürchterlichen Schrecken und Schaden anrichten, könnte ich mir schon vorstellen, wenn die Situation für Russland militärisch ausweglos wird, dass er dann sagt: So, ich kann aber noch mehr. Ich kann noch größere Zerstörungsmöglichkeiten entfalten. Und dann, glaube ich, wird es hier in Europa, wenn er das tut, dann wird der Ruf nach Frieden ganz laut werden bei uns. Und nicht der Ruf danach, jetzt müsse man aber mit gleicher Münze heimzahlen. Das kann ich mir einfach gar nicht vorstellen, dass das passieren wird. Dafür ist die Angst vor Eskalation eines Krieges in Europa viel zu groß.

Ihr Kollege Herfried Münkler hat hier im historycast gesagt: Natürlich kann man aus der Geschichte lernen, manchmal allerdings auch das Falsche.

(Lacht) Man kann aus der Geschichte gar nichts lernen. Und ich will das mal so formulieren: Die Leute haben die Vorstellung, dass es DIE Geschichte als irgendein Kollektivsingular gibt, irgendein Geschehen. Ich sage dazu dann immer: Das ist der Ersatz für den lieben Gott. Den haben wir nicht mehr. Dass man aus DER Geschichte als solcher irgendetwas lernen könnte, würde ja voraussetzen, dass es gar keinen Streit darüber gibt, was die Geschichte ist. Aber es gibt hunderte von Auffassungen darüber, wie man sich Geschichte vorstellt.

(Lacht) Man kann aus der Geschichte gar nichts lernen. Und ich will das mal so formulieren: Eine Frage habe ich dann zum Schluss noch. Sie haben einen eher pessimistischen Blick auf die Entwicklung des Ukraine-Krieges. Was uns ja immer noch bleibt, ist die Hoffnung. Was ist denn Ihre Hoffnung?

Meine Hoffnung ist, dass tatsächlich durch den Zermürbungskrieg beide Seiten erschöpft sind und begreifen, dass es ein Ende finden muss, dass es zu einem Kompromiss kommt, bei dem beide Seiten Federn lassen müssen, aber trotzdem das Gefühl haben, sie seien beide Sieger, sie hätten beide davon profitiert. Das ist jetzt im Grunde die Aufgabe des Tages, einen Frieden zu vermitteln, der beiden gerecht wird und von dem beide gewinnen können. Zum Beispiel dass die Ukraine auf die Krim endgültig verzichtet oder vielleicht sagt: In zehn Jahren machen wir noch mal ein Referendum über das Donbas. Und dann gibt es eine internationale Beobachtergruppe oder Blauhelme, was auch immer, kann man sich ja vorstellen. Und dass sie aber eine Beitrittsperspektive zur EU erhält, aber nicht in die NATO. Ich hoffe, dass dann, wenn der Krieg vorbei ist, beide Seiten sich überlegen, ob nicht bestimmte Soft-Power-Strategien am Ende viel erfolgreicher sind, um etwas zu erreichen. Russland hat das bislang immer noch nicht begriffen. Es hat nicht begriffen, dass Deutschland mächtig ist, weil es militärisch schwach ist, weil es seine Nachbarn nicht bedroht, weil es mit seinen Nachbarn eng verflochten ist. Und dass Deutschland auf paradoxe Weise die gesamte EU dominiert, weil es freundlich ist. Und das haben sie einfach nicht verstanden, dass, solange sie ihre Nachbarn mit Säbeln und Kanonen bedrohen, sie keinen Erfolg haben werden. Und ich wünschte mir, dass es irgendwann auch einen Generationenwechsel in Russland gibt. Das sind ja alles noch Leute aus der alten Sowjetunion, die da das Sagen haben. Und es dann die Möglichkeit gibt, über den Schatten zu springen. Zum Schluss vielleicht noch, was ich mir am meisten wünsche, das ist für einen Historiker zwar ungewöhnlich, aber ich wünsche mir, dass Leute vergessen. Nicht dass sie jetzt vergessen, was sie erlebt und erlitten haben, das meine ich damit nicht, sondern dass man aufhört einander vorzuhalten, was einem historisch angeblich gehört, worauf man angeblich einen Anspruch hat. Dass man aufhört, über Wladimir den Heiligen zu reden, über Katharina die Große, die Krim oder Bandera, sondern sagt: Wir leben im Hier und Jetzt und wir haben im Hier und Jetzt dieses oder jenes Problem, das wir lösen müssen. Und wir bewerfen einander nicht mit dem Holodomor und mit Stalin und was auch immer an großen Kanonen aufgefahren wird. Wir Deutschen haben ja doch, das vielleicht zum Schluss noch, wir sind ja gut damit gefahren, dass wir diese ganzen lächerlichen Mythen auf den Müllhaufen geworfen haben und ganz entspannt mit unseren polnischen Nachbarn über Probleme sprechen können, ohne immer zu sagen: Aber eigentlich gehört uns Schlesien und das kann man nachweisen seit dem Mittelalter. Damit muss man aufhören. Das wünsche ich mir, dass man die Kraft findet, mit diesem Unfug aufzuhören, und die Geschichte nicht instrumentalisiert für politische Zwecke.

Meine Hoffnung ist, dass tatsächlich durch den Zermürbungskrieg beide Seiten erschöpft sind und begreifen, dass es ein Ende finden muss, dass es zu einem Kompromiss kommt, bei dem beide Seiten Federn lassen müssen, aber trotzdem das Gefühl haben, sie seien beide Sieger, sie hätten beide davon profitiert. Das ist jetzt im Grunde die Aufgabe des Tages, einen Frieden zu vermitteln, der beiden gerecht wird und von dem beide gewinnen können. Zum Beispiel dass die Ukraine auf die Krim endgültig verzichtet oder vielleicht sagt: Man muss den Status Quo erst anerkennen, wenn man ihn verändern will.

Meine Hoffnung ist, dass tatsächlich durch den Zermürbungskrieg beide Seiten erschöpft sind und begreifen, dass es ein Ende finden muss, dass es zu einem Kompromiss kommt, bei dem beide Seiten Federn lassen müssen, aber trotzdem das Gefühl haben, sie seien beide Sieger, sie hätten beide davon profitiert. Das ist jetzt im Grunde die Aufgabe des Tages, einen Frieden zu vermitteln, der beiden gerecht wird und von dem beide gewinnen können. Zum Beispiel dass die Ukraine auf die Krim endgültig verzichtet oder vielleicht sagt: Ja, natürlich. Ja, genau (lacht).

Meine Hoffnung ist, dass tatsächlich durch den Zermürbungskrieg beide Seiten erschöpft sind und begreifen, dass es ein Ende finden muss, dass es zu einem Kompromiss kommt, bei dem beide Seiten Federn lassen müssen, aber trotzdem das Gefühl haben, sie seien beide Sieger, sie hätten beide davon profitiert. Das ist jetzt im Grunde die Aufgabe des Tages, einen Frieden zu vermitteln, der beiden gerecht wird und von dem beide gewinnen können. Zum Beispiel dass die Ukraine auf die Krim endgültig verzichtet oder vielleicht sagt: Herr Baberowski, herzlichen Dank noch mal.

Meine Hoffnung ist, dass tatsächlich durch den Zermürbungskrieg beide Seiten erschöpft sind und begreifen, dass es ein Ende finden muss, dass es zu einem Kompromiss kommt, bei dem beide Seiten Federn lassen müssen, aber trotzdem das Gefühl haben, sie seien beide Sieger, sie hätten beide davon profitiert. Das ist jetzt im Grunde die Aufgabe des Tages, einen Frieden zu vermitteln, der beiden gerecht wird und von dem beide gewinnen können. Zum Beispiel dass die Ukraine auf die Krim endgültig verzichtet oder vielleicht sagt: Herr Wember, danke Ihnen auch.

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